Im Schatten des Fürsten
damit auch keine Gelegenheit, sich auszusöhnen. Ich würde dir raten, dieses Thema ihm gegenüber nicht zu anzusprechen.«
Tavi sah Faede an.
Der Sklave wandte den Blick ab, und Tavi konnte von seinem vernarbten Gesicht keinerlei Gefühlsregung ablesen. »Ich verstehe«, sagte er. »Danke, Maestro.«
Killian hob die Hand und wehrte ab. »Genug«, murmelte der alte Mann. »Kümmere dich um deine Pflichten.«
»Ja, Herr«, antwortete Tavi und verließ die Meditationskammer, um sich auf die Suche nach Ehren und Gaelle zu machen.
29
»Ist dir eigentlich klar, wie spät es ist?«, knurrte Ehren. »Und wir haben eine Geschichtsprüfung nach der dritten Glocke.« Er kehrte ihm den Rücken zu, vergrub den Kopf im Kissen und murmelte: »Komm nach der Prüfung wieder.«
Tavi warf Gaelle am anderen Ende des Betts einen Blick zu, dann packten beide zu und zerrten ihren Freund einfach von der Matratze. Der magere Junge schrie, als sie ihn zur Tür des Schlafraums schleppten. Unterwegs schnappte sich Tavi eine Hose, Strümpfe und Schuhe, die schon ordentlich für den Morgen bereitgelegt waren.
»Still«, sagte er zu Ehren. »Komm jetzt. Oder willst du uns die Nachtwache auf den Hals hetzen?«
Ehren ergab sich in sein Schicksal und stolperte zwischen ihnen entlang, doch nach einigen Schritten blinzelte er und murmelte: »Was ist denn los?«
»Wirst du gleich erfahren«, sagte Tavi. Er und Gaelle lenkten Ehren auf den überwucherten Bereich im Campus, wo die angeblichen Unterrichtsräume von Killian lagen. Tavi holte einen Schlüssel unter dem Stein hervor, schloss die Tür auf, und die drei schlichen eilig hinein.
Drinnen vergewisserte sich Tavi, dass die Vorhänge dicht zugezogen waren. »Gut«, sagte er zu Gaelle, die den Elementar einer Lampe zu schwachem Leben erweckte.
Ehren warf Gaelle einen unsicheren Blick zu, griff nach seiner Kleidung und zog sich hastig die Hose an, obwohl sein Nachthemd ja bis zu den Knien reichte. »Wir kriegen bestimmt Ärger«, sagte er. »Tavi, was soll das?«
»Ich brauche eure Hilfe«, antwortete er leise.
»Kann das nicht warten?«, fragte Ehren.
Tavi schüttelte den Kopf, und Gaelle runzelte die Stirn. »Tavi«, flüsterte sie, »was ist denn los? Du siehst furchtbar aus.«
Da schaute sich auch Ehren den Freund genauer an. »Tavi? Alles in Ordnung mit dir?«
»Ja, ja, mit mir schon«, antwortete Tavi und holte tief Luft. »Aber mit meiner Tante nicht. Sie ist in die Hauptstadt gekommen, um an der feierlichen Zeremonie am Schluss vom Winterend-Fest teilzunehmen. Aber sie und ihre Begleiter wurden überfallen. Ihre Gefährten und ihre Wachen hat man ermordet. Sie selbst wurde entführt.«
Gaelle stockte der Atem. »Oh Elementare. Tavi, das ist ja entsetzlich.«
Ehren strich sich vor Schreck die Haare aus dem Gesicht. »Bei den Krähen.«
»Sie ist in Gefahr«, sagte Tavi leise. »Ich muss sie finden. Dazu brauche ich eure Hilfe.«
Ehren schnaubte. »Unsere Hilfe? Tavi, sei vernünftig. Die Civis-Legionares
suchen bestimmt schon nach ihr. Und die Krone wird das ganze Reich auf den Kopf stellen und so lange schütteln, bis sie herausfällt. Gaius kann es sich nicht leisten, dass der Wehrhöferin Isana etwas zustößt.«
Gaelle runzelte die Stirn. »Ehren hat Recht, Tavi. Ich meine, ich bin deine Freundin und werde dir helfen, so gut ich nur kann, doch werden sich Leute um das Verschwinden deiner Tante kümmern, die dazu viel besser in der Lage sind als wir.«
»Nein«, flüsterte Tavi. »Sind sie nicht. Zumindest glaube ich, dass niemand, der eine reelle Erfolgschance hätte, nach ihr suchen wird.«
Ehren wurde unsicher. »Was meinst du damit?«
Tavi atmete tief durch. »Eigentlich sollte ich euch das gar nicht verraten. Aber im Augenblick befindet sich die Krone nicht in der Lage, meiner Tante groß helfen zu können.«
»Inwiefern?«, fragte Gaelle.
»Einzelheiten darf ich nicht sagen«, entgegnete Tavi. »Doch die Krone wird eben nicht jeden Stein umdrehen, um meine Tante zu finden.«
Gaelle blinzelte überrascht. »Was ist mit den Kursoren? Die können das doch gewiss übernehmen?«
Tavi schüttelte den Kopf. »Nein. Die …« Er verzog das Gesicht. »Ich kann euch nicht mehr erzählen. Tut mir leid. Meine Tante bekommt nur Hilfe, wenn ich mich eigenhändig darum bemühe.«
Ehren runzelte die Stirn. »Tavi, vertraust du uns nicht?«
»Natürlich vertraue ich euch«, sagte Tavi, »sonst würde ich gar nicht mit euch reden.«
Gaelle starrte ihn an und grübelte
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