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Im Schatten des Fürsten

Im Schatten des Fürsten

Titel: Im Schatten des Fürsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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von unserer Aufgabe ablenken lassen, verlieren wir am Ende vielleicht ganz Alera. Und wenn ich Nedus’ Opfer ignoriere, dann übersehen wir am Ende womöglich eine unbekannte Bedrohung, vor der er uns warnen wollte. Ich muss eine Entscheidung treffen. Und ich darf mir diese Entscheidung
nicht von meinen Gefühlen diktieren lassen, so stark sie auch sein mögen. Dazu steht zu viel auf dem Spiel.«
    Tavi starrte Killian an und spürte plötzlich nicht mehr das messerscharfe Denken und die tödliche Ruhe des Kursor Legatus, sondern den tiefen Gram eines alten Mannes, der sich bemühte, einem Sturm aus Sorgen, Ungewissheit und Verlusten die Stirn zu bieten. Killian war nicht mehr jung. Die Zukunft des ganzen Reiches lag auf seinen schmalen Schultern, und er spürte, dass ihn diese Last zu erdrücken drohte. Sein Kampf darum, die Kontrolle zu behalten und sich auf den Verstand zu verlassen, um zu der richtigen Entscheidung zu gelangen, war seine letzte Verteidigung gegen diesen Sturm und gegen die Pflicht, die sein Handeln verlangte - aber genau das führte dazu, dass er reglos verharrte.
    Und mit einem Mal begriff Tavi auch, wie man die Waagschalen beeinflussen konnte. Er hasste sich selbst für diesen Gedanken. Er hasste sich dafür, dass er auch nur in Erwägung zog, ihn auszusprechen. Er hasste sich dafür, dass er den Atem holte, der diesen Gedanken in die verletzte, blutende Seele des alten Mannes tragen würde.
    Leider war es die einzige Weise, wie er Tante Isana helfen konnte.
    »Demnach stellt sich die Frage, ob du der Einschätzung von Ritter Nedus vertraust oder nicht. Wenn ja, wäre sein Tod vergeblich gewesen, falls wir die Wehrhöferin jetzt ihrem Schicksal überlassen.«
    Killian senkte den Kopf, als wollte er einen Dolch betrachten, der sich in seinen Bauch gebohrt hatte.
    Tavi zwang sich, den Schmerz des alten Mannes zu ertragen. Dieser Schmerz, den er Killian im Augenblick der Schwäche zugefügt hatte. Der Schmerz, der Killian aus seiner Handlungsunfähigkeit reißen würde. Wieder entspann sich Schweigen, und Tavi wurde plötzlich übel, als er spürte, wie sich die Wut eines anderen auf ihn richtete.
    Er sah auf. Miles starrte ihn finster an. Doch er rührte sich
nicht und sagte nichts und drückte seine Unterstützung nur durch sein Schweigen aus.
    »Ich weiß nicht, wie wir ihr helfen können«, sagte Killian schließlich krächzend. »Wir sind schließlich nur zu dritt.«
    »Gib mir Ehren und Gaelle«, erwiderte Tavi. »Stell sie von den Abschlussprüfungen frei. Sie sollen sich einfach nur ein bisschen umhören. Dazu brauchen sie ja nichts über Gaius zu wissen. Isana ist immerhin meine Tante, das wissen sie beide. Es wäre nur natürlich, wenn ich sie um Hilfe bitte bei der Suche nach ihr. Und … Vielleicht könnte ich auch Fürstin Placida bitten. Sie gehört zu den Führerinnen der Dianischen Liga. Die Liga hat durchaus ein Interesse daran, meine Tante in Sicherheit zu wissen. Die Liga wäre vielleicht bereit, einiges einzusetzen, um sie zu finden.«
    Killians buschige weiße Augenbrauen schoben sich aufeinander zu. »Sie könnte inzwischen längst tot sein. Darüber bist du dir doch im Klaren, oder?«
    Tavi seufzte tief. Es war schrecklich. Die Strategie bei diesem Gespräch, das Thema an sich und die entsetzlichen Bilder, die ihm durch den Kopf gingen. Trotzdem atmete er ganz ruhig und sprach über diese albtraumhafte Angelegenheit in einem sachlichen Ton wie in den theoretischen Situationen im Unterricht. »Rein logisch betrachtet ist es wahrscheinlich, dass sie noch lebt«, sagte er. »Wenn die Stecher, die wir gesehen haben, sie umbringen wollten, hätten wir ihre Leiche bei Ritter Nedus und Serai entdeckt. Aber sie wurde vom Ort des Geschehens fortgebracht. Ich glaube, jemand anders möchte sie für seine Zwecke ausnutzen.«
    »Und in welcher Weise?«, fragte der alte Kursor.
    »Vielleicht möchte er sich ihrer Unterstützung und ihrer Treue versichern«, sagte Tavi. »Der Betreffende hofft vielleicht, es bringe ihm mehr ein, die Symbolwirkung, die von ihr ausgeht, für seine Zwecke einzusetzen. Mehr jedenfalls, als dieses Symbol zu vernichten.«

    »Und, wird sie sich deiner Einschätzung nach darauf einlassen?«, fragte Miles.
    Tavi fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und überlegte sich seine Antwort genau. »Für Gaius hat sie wenig übrig«, meinte er. »Aber noch weniger für diejenigen, die den Maratüberfall auf das Calderon-Tal zu verantworten haben. Eher würde sie sich

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