Im Schatten des Fürsten
glaube es nicht. Wir haben es nicht einfach mit Räubern oder Marat zu tun. Ich weiß zwar nicht, warum ich das denke, aber …«
»Instinkt«, knurrte Bernard. »Und auf den Instinkt sollte man stets hören. Wann ist das passiert?«
»Gestern Abend. Ich habe befohlen, die Kinder in die Mauern des Wehrhofs zu holen, und wenn Leute den Hof verlassen, dann nur in Gruppen, mindestens zu viert. Heute Morgen bin ich gleich aufgebrochen, um mit Isana zu sprechen.«
Bernard seufzte und blickte Amara an. Die Kursorin nickte, stand auf und ging zur Tür. Isana hörte, wie sie etwas flüsterte, während sie das Holz der Tür berührte, und kurz spürte sie einen Schmerz in den Ohren, der mit einem leisen Ploppen nachließ.
»Jetzt können wir offen sprechen«, sagte Amara.
»Offen sprechen? Worüber?«, wollte Aric wissen.
»Über eine Sache, die ich heute Morgen von Doroga erfahren habe«, erklärte Bernard. »Er hat von der Existenz eines Wesens erzählt, das die Marat ›Vord‹ nennen. Es hat im Wachswald gelebt, aber irgendetwas muss vorgefallen sein, das es veranlasst hat, von dort zu verschwinden.« Isana runzelte die Stirn, während sie aufmerksam Bernards Bericht über dieses seltsame Geschöpf lauschte.
»Ich weiß nicht, Herr«, meinte Aric unschlüssig. »Davon habe ich noch nie gehört. Ein blutsaugender Gestaltwandler? Wenn es ein solches Wesen gäbe, müssten wir doch davon gehört haben, oder?«
»Laut Doroga ist es oft bereits zu spät, wenn man von seiner Existenz erfährt«, sagte Bernard. »Wenn er richtig liegt und es am Garados tatsächlich ein Nest gibt, könnte es das Verschwinden von Mensch und Vieh auf deinem Wehrhof erklären, Aric.«
»Und er erzählt bestimmt keine Ammenmärchen?«, fragte Aric.
»Ich habe zugeschaut, wie unsere Heiler zweihundert Marat und ebenso viele ihrer Tiere zusammengeflickt haben, Aric. Das war kein Ammenmärchen. Doroga sagt, er habe annähernd zweitausend Krieger verloren, und ich glaube ihm.« Nun berichtete er den Rest dessen, was er von Doroga gehört hatte.
Isana verschränkte zitternd die Arme. »Und das dritte Nest?«
Bernard und Amara warfen sich einen dieser Blicke zu, und sie brauchte nicht erst ihren Elementar einzusetzen, um zu wissen, dass ihr Bruder log. »Doroga hat Fährtenleser darauf angesetzt.
Sobald wir es gefunden haben, schlagen wir zu. Aber zunächst möchte ich mir dieses zweite Nest vornehmen.«
»Zweitausend Mann«, murmelte Aric. »Wie willst du dieses Nest angreifen? Im ganzen Tal bringen wir nicht so viele Männer zusammen, Bernard.«
»Die Marat haben keine Ritter. Wir schon. Ich denke, wir sollten zumindest in der Lage sein, diese Vord festzusetzen, bis Verstärkung aus Riva eintrifft.«
»Falls Hilfe aus Riva kommt«, warf Isana ein.
Bernard sah sie scharf an. »Was meinst du damit?«
»Du hast gesehen, wie Aric auf die Quelle deiner Geschichte reagiert hat, und dabei kennt er Doroga sogar. Es würde mich ganz und gar nicht wundern, wenn der Hohe Fürst Riva das Ganze als Barbarenlegende abtut.«
Amara biss sich auf die Unterlippe und kniff die Augen zusammen. »Da liegst du möglicherweise gar nicht so falsch. Riva hasst die Marat, aus einer ganzen Reihe von Gründen.«
»Aber es sind bereits Aleraner zu Tode gekommen, Amara«, sagte Bernard.
»Der Einwand ist vernünftig«, erwiderte Amara, »was man jedoch über Riva nicht immer sagen kann. Er musste schon viel Geld für den Wiederaufbau von Kaserna und die Instandsetzungen bei den Wehrhöfen berappen. Jetzt werden seine Taschen leer sein, und trotzdem soll er seine Legionen in Bewegung setzen. Solange es nicht unbedingt notwendig ist, wird er das vermeiden wollen, und er wird sich vermutlich viel Zeit lassen, wenn es darum geht, wegen der Geistergeschichte eines elementarlosen Barbaren Geld auszugeben. Abgesehen davon könnte er längst zu den Winterend-Festlichkeiten in die Hauptstadt aufgebrochen sein.«
»Vielleicht aber auch noch nicht.«
Amara hob beschwichtigend die Hand. »Ich beschreibe nur die Schwierigkeiten, auf die du stoßen könntest, wenn du aufgrund des Berichts eines Hordenmeisters Hilfe bei ihm anforderst.«
»Trotzdem kann ich nicht einfach die Hände in den Schoß
legen. Einen Boten habe ich jedenfalls schon abgeschickt. Wir haben keine Zeit zu verlieren.«
»Warum nicht?«, fragte Aric.
»Laut Doroga werden sich die Vord vermehren, und das Nest teilt sich innerhalb von einer Woche in drei Nester auf. Wenn wir dieses nicht auslöschen,
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