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Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition)

Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition)

Titel: Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Rath
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aufmerksam zu.
    »Keine Ahnung«, brummte Hinrich Quast. »Ich weiß nur, dass sie sich immer im ›Lustigen Mohren‹ am Ersten Vorsetzen treffen.«
    »Ein passender Name.«
    Der Zimmermann schaute Moritz über seine Arbeit hinweg scharf an. »Warum willst du das wissen?«
    »Vielleicht könnte mein Bruder das auch machen. Der ist sehr groß und sehr kräftig.«
    Bis zum Einbruch der Dunkelheit war Moritz mit der Abschrift der englischen Übersetzung beschäftigt. Dann packte er seine Unterlagen zusammen und überlegte kurz, ob er noch einmal in die Große Reichenstraße zurückgehen sollte. Doch schnell verwarf er den Gedanken. Es war nicht zu erwarten, dass Cäcilie ins Kontor herunterkam, und schließlich konnte er auch noch am nächsten Morgen Tinte auffüllen, Federn anspitzen und Sand auffegen.
    Er schlenderte an den Binnenkajen entlang, als wäre er auf dem Weg nach Hause. Von Zeit zu Zeit schaute er sich um. Als er sich sicher war, dass der Kapitän ihn nicht mehr sehen konnte, schlug er einen Haken und schlich durch Gänge und Höfe zurück in die Neustadt. Unbemerkt erreichte er die Vorsetzen. Auf der Landseite der Straße, wo die Häuser standen, flackertendie Laternen vor den Gastwirtschaften und die Kerzen in den Fenstern der Matrosenherbergen. Zwischendrin war es dunkel. Das waren die Seemannsausrüster, die ihre Läden bereits geschlossen hatten.
    Auf der Wasserseite der Vorsetzen, wo eine Balkenkonstruktion über das abschüssige Ufer gebaut worden war, gluckste das Wasser. Der Geruch von Tang stieg von der Elbe herauf, aber ganz anders als vom Dovenfleet. Dort roch es nach Fäulnis, hier jedoch nach Meer, Ferne und Abenteuer. Die Schiffe an den Pfählen schwankten leicht, ihre Seile schlugen mit einem klatschenden Geräusch gegen die Masten. Eine merkwürdig sehnsuchtsvolle Stimmung übermannte Moritz, deren Ursache er nicht erkennen konnte und an der Cäcilie ausnahmsweise nicht schuld war. Er sehnte sich danach, einfach wegzugehen, auf einem Schiff anzumustern, sich den tobenden Elementen zu stellen, täglich etwas Neues zu erleben. Irgendwo auf dem weiten Meer ein Matrose zu sein, der hoch oben in der Takelage dem Sturm trotzte, schien ihm weitaus attraktiver als in Hamburg Papier mit Tinte vollzuschmieren. Doch bevor er dieser Stadt den Rücken kehren konnte, musste er die schwarzen Männer stellen. Danach würde er auf jeden Fall davonsegeln.
    In der Nähe der Schänke sah er sich nach einem passenden Beobachtungsposten um. Bei den Häusern wollte er sich nicht verstecken. Es war nicht gut, in der Nachbarschaft von Kneipen entdeckt zu werden. Zu schnell wurde man von kräftigen Fäusten darüber belehrt, dass Kinder in dieser Gegend nichts zu suchen hatten. Die Wasserseite schien ihm besser geeignet. Hier lagerte eine große Menge Güter, die auf den Abtransport warteten und hinter denen man sich verbergen konnte. Moritz hatte zunächst einen Hügel aus Schotter und Wegeplatten ins Auge gefasst, doch beim Versuch hinaufzuklettern, rutschte er wieder herunter. Hier war kein Hochkommen. Da waren die nächsten Stapel, die mit den Baumstämmen, besser geeignet. Leider lagen sie etwas weiter entfernt vom »Lustigen Mohren«.
    Mit hereinbrechender Dämmerung belebten sich die Vorsetzen. Von den Schiffen ruderten Männer heran, banden ihre Boote am Kai fest und stiegen die Treppen hinauf. Einige warfen ihre Zampel auf den Rücken und gingen in Richtung Neustadt oder den Hamburger Berg, die anderen strebten einer der vielen Schänken zu. Moritz beobachtete sie aus seinem sicheren Versteck. Er hatte keinen Plan, er wollte lediglich die Örtlichkeiten erkunden und einen Blick auf die schwarzen Männer werfen.
    Vor dem »Lustigen Mohren« ging es hoch her. Mehr und mehr Männer trafen ein, immer in Vierergruppen. Sie waren alle groß und kräftig, nicht dick, aber muskelbepackt, denn ihr Körpergewicht war ihr Kapital. Die Männer schienen gut aufgelegt, Scherze flogen hin und her, man lachte. Schließlich betraten sie die Schänke. So sehen keine Mörder aus, dachte Moritz. Mörder lachen nicht, Mörder schleichen blass und schuldbewusst durch die Gassen.
    Irgendwann gab es nichts mehr zu sehen. Die Vorsetzen lagen verlassen in der Dunkelheit, die Ruderboote schaukelten an der Treppe und zerrten an ihren Seilen. Die Elbe floss gleichmäßig dem Meer zu, kleine Wellen plätscherten gegen die Stufen am Kai.
    Moritz wollte sich gerade auf den Heimweg machen, als er stutzig wurde. Er war nicht allein auf den

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