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Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition)

Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition)

Titel: Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Rath
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ihren Haaren. Nein, sie roch nicht nach Frühlingsblumen wie Cäcilie, sie roch überhaupt nicht nach Blumen. Aber sie roch auch nicht wie er, sonst könnteer ihren Geruch nicht wahrnehmen. Sie roch irgendwie   … Es fehlte ihm der Vergleich, doch er mochte den Duft ihrer Haare. Sie roch weich. Ja, das war der richtige Ausdruck. Weich, angenehm weich, sie roch so, dass er ihren Duft immer weiter einatmen musste.
    In diesem Augenblick war Cäcilie weiter entfernt als der Hafen von Lissabon, und das war das Weiteste, was sich Moritz vorstellen konnte. Er strich über Jettes blonden Kopf und an den Zöpfen entlang.
    »Tut es nicht weh, wenn die Zöpfe so hart sind?«
    »Meine Mutter macht sie immer so stramm. Früher hat es fürchterlich wehgetan, aber jetzt merke ich es nicht mehr.«
    Er schaute auf sie hinunter und versuchte, sie sich ohne Zöpfe vorzustellen.
    »Ich würde gern wissen, wie du ohne aussiehst.«
    »Ohne Zöpfe?«
    »Ja, mit offenen Haaren.«
    »Unordentlich sehe ich aus.«
    »Du solltest die Haare offen lassen.«
    »Nein, das geht nicht. Dann fallen sie mir bei der Hausarbeit ins Gesicht. Außerdem   – wie sieht das aus.«
    »Du könntest sie mit einem Band nach hinten binden. So wie einen Schweif.«
    Jette schnaubte verächtlich. »Ich bin doch kein Pferd.«
    Wieder saßen sie schweigend nebeneinander. Moritz legte seinen Arm um ihre Schultern, doch erschrocken zog er ihn wieder zurück. Wie dünn sie war, fast nur Haut und Knochen. Er folgte einer Eingebung, ohne darüber nachzudenken, ob es vielleicht unschicklich war.
    »Hast du Hunger?«
    »Ja. Fast immer.«
    Moritz dachte an Jettes Geschwister. Er hatte nie herausbekommen, wie viele es waren. Sechs oder sieben oder acht? Jedes Mal, wenn man sie zählen wollte, liefen sie herum undbrachten alles durcheinander. Er griff in seine Jackentasche nach den Murmeln. Zwischen ihnen klimperten ein paar Dreilinge, die er von einem Kaufmann als Trinkgeld bekommen hatte. Er wollte das Geld aus der Tasche ziehen, doch dann packte er es wieder zurück. So etwas macht man nicht, man gibt einer Frau kein Geld, das ist unsittlich. Was soll sie von mir denken? Stattdessen holte er die Murmeln heraus. Zwischen den stumpfen braunen und den blau glasierten Tonkugeln glitzerte eine Glaskugel im fahlen Schein der Laterne. Er hatte sie auf der Straße gefunden, sie war sein wertvollstes Stück.
    Er drückte die Murmel Jette in die Hand, wollte etwas sagen, musste sich jedoch erst einmal räuspern. »Für dich«, quetschte er hervor.
    »Das kann ich nicht annehmen«, sagte Jette. Doch ihre Augen glitzerten ebenso wie die Murmel.
    Moritz bog von der Twiete in den Hof ein. In schneller Abfolge kreisten Bilder in seinem Kopf. Doch Cäcilie bevölkerte keinen seiner Gedanken, da war nur noch Jette mit ihren glänzenden Augen und dem liebevollen Blick. Es macht glücklich, Jette etwas zu schenken, dachte er erstaunt, ich vermisse die Murmel nicht. Seltsam, sie war doch das Wertvollste, was ich hatte.

17
    Am Morgen wehte eine Ahnung von Frühling durch die Twieten und Gassen. Die Luft ließ die Herzen der Menschen höher schlagen. Es schien, als gingen sie aufrechter als sonst zur Arbeit.
    Moritz jedoch nahm nichts davon wahr. Gedankenverloren trottete er zum Kontor. Merkwürdigerweise dachte er nicht an Jette, sondern an Cäcilie.
    Es war nun schon zwei Tage her, dass sie sich mit diesem Abschiedskuss aus seinem Leben gestohlen hatte. Das schmerzte. Zwar hatte er in Jette eine treue Freundin, doch dass Cäcilie ihm zu entgleiten drohte   – oder vielleicht schon entglitten war   –, nagte an ihm.
    Wie jeden Morgen klemmte sich Vorsteher Harms das Kontorbuch unter den Arm und schritt erhobenen Hauptes in das »Heiligtum« zum Patron. Als er zurückkam, legte er die Briefentwürfe, die er stets in einer sehr kleinen und sehr korrekten Schrift zu Papier brachte, vor Moritz hin. Der schnappte sich die abgewetzte Ledertasche und machte sich auf den Weg zum Steinhöft; wie immer versehen mit den Ermahnungen von Harms, nicht zu lange zu bleiben und sich vor allen Dingen nicht von Kapitän Westphalen zu irgendwelchen Sonderarbeiten einspannen zu lassen. Hatte Moritz früher Gewissensbisse gehabt, wenn er den ganzen Tag am Steinhöft war, so ließ er inzwischen die Harms’schen Ermahnungen mit Gleichmut über sich ergehen. Denn alle, auch Harms, wussten, dass sich niemand den Befehlen des Kapitäns widersetzen konnte, ohne Gefahr zu laufen, kielgeholt zu werden.
    Auf der

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