Im Schatten des Kreml
die Möglichkeiten, die vor uns liegen.«
»Ich bin kein Mann wie du, Khanzad.« Ich habe Zweifel; ich stelle meine Entscheidungen und die Dinge, die ich getan habe, infrage. »Ich prostituiere mich nicht für den, der am meisten bietet.«
Die freundliche Fassade fällt von ihm ab. »Rede nicht so mit mir. Ich würde es uns gern leichter machen, aber das muss ich nicht. Du bist hier an der kurzen Leine. Wen soll ich anrufen? General Nemstow? Maxim? Konstantin?« Er zieht die Namen höhnisch in die Länge, die Lippen zu einem schmalen roten Strich zusammengepresst. »Sie brauchen mich mehr als dich.«
»Er hat recht, Alexei«, sagt Valja und mimt die Besorgte. »Lass uns das möglichst problemlos abwickeln.«
Khanzad prostet ihr zu. »Ah! Ein guter Verhandlungspartner sucht immer eine friedliche Lösung. Auf die Einheit und den Wohlstand.« Er hebt sein Glas, trinkt und leckt sich anschließend über die Lippen. »Okay, jetzt sind wir Freunde! Bringt das Ei her, dann können wir essen und über alte Zeiten plaudern, nicht wahr, Volk?«
Nachdem einer seiner Männer durch eine Hintertür verschwunden ist, wirft Khanzad den Kopf nach hinten, sodass die Spitzen seines Bartes auf mich zeigen. »Hast du eine Vorstellung davon, wie viel Geld sich hier machen lässt? Du hast so gute Kontakte und bist so... na ja, dumm! Nein, nein, ich meine das nicht so, wie es klingt.«
An der Bar zu unserer Rechten stehen zwei leere Flaschen, die genauso aussehen wie die auf unserem Tisch. Khanzad hat sich schon einiges genehmigt.
»Ich meine ja nur, die Leute werfen dir alle ihr Geld hinterher. Alle wollen sie dich auf ihrer Seite haben.« Er runzelt die Stirn. »Ich verstehe das nicht.«
»Jetzt werfen sie dir das Geld hinterher«, bemerkt Valja fröhlich, was ihn aufmuntert.
»Ja! Spiel du nur weiter den Märtyrer, Volk. Wer bin ich, dass ich dich daran hindern wollte?«
Er trinkt noch einen Schluck, doch dann verfinstert sich seine Miene wieder, ich nehme an, weil er immer noch nicht versteht, dass jemand die Welt in einem anderen Licht sieht als er. Er reißt ein Stück von seinem Aprikosenbrot ab und stopft es sich in den Mund. Während er kaut, kommt der Mann, den er vorher weggeschickt hat, mit einem schwarzen Kästchen zurück, dessen Lack von goldenen Linien durchzogen ist. Er stellt es auf den Tisch und tritt zur Seite. Khanzad streicht über den glatten Lack und zieht das Kästchen zu sich heran.
»Du mit deinem beschissenen Ei! Du bist genau wie der General. Keine Entschädigung, hat er gesagt!« Khanzad sinkt kurz nachdenklich in seinen Stuhl zurück, aber dieser Teil des Geschäfts ist offensichtlich schon besiegelt. Grummelnd winkt er ab. »Glaubst du, das Ei bedeutet mir irgendetwas? Meinetwegen nimm es mit.«
»Wo ist das Mädchen?«
»Ah, die kleine Galina«, entgegnet Khanzad und beißt noch einmal vom Brot ab. »Sie ist oben. Sie lebt. Und sie ist noch einiges wert.« Er grinst, zwischen zwei Zähnen steckt ein Stück Aprikose. »Wie viel wird ihre Familie wohl zahlen?«
Es würde mich überraschen, wenn er wirklich um ihre Freilassung feilschen wollte. Das Geld, das er durch sie einnehmen würde, ist nichts im Vergleich zu dem, was Khanzad hofft, bald zu bekommen. Ich schätze, er will nur den Moment auskosten und ihn in die Länge ziehen, weil er glaubt, dazu in der Lage zu sein. Valja wirft mir einen Blick zu. Es ist soweit. In ihrer Hand unter dem Tisch sehe ich das Messer aufblitzen, das sie in ihrer Prothese versteckt hatte. Sie hält es mit der Klinge nach oben an den Unterarm gedrückt.
Im Vorzimmer hinter uns sind plötzlich Schüsse zu hören. Im selben Moment springt Yusup durch den Vorhang, in den Händen eine Kalaschnikow. Er blinzelt kurz, um sich zu orientieren, dann legt er los. Der Mann neben mir bekommt als Erster eine Ladung in die Brust. Er fliegt wie von unsichtbaren Fäden gezogen rückwärts durch die Luft. Valja wirft ihr Messer auf den zweiten Wachmann. Es bohrt sich in seinen Hängebauch und verschwindet, als er beide Hände über den Griff legt. Zwei weitere von Valjas Gefährten stürmen hinter Yusup in den Raum, aber es ist nur noch Khanzad übrig. Die anderen sind erledigt, und der Kellner ist verschwunden. Matthews kommt herein, die Beretta in der Hand, und erfasst mit einem kurzen Blick die Lage.
Khanzad nimmt ihn sofort wahr, er will etwas sagen und steht dann plötzlich auf. Er muss sich mit den Händen auf dem Tisch abstützen. »Dafür wirst du sterben, Volk«,
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