Im Schatten des Pferdemondes
verfehlte sie knapp. Ein entsetzlicher Schrei erklang. Mann und Hund fuhren zusammen und starrten auf Juanita, die eingequetscht unter dem Balken lag. Sie wand und krümmte sich, aber sie konnte sich nicht davon befreien. Dann plötzlich lag sie still, wie gefangen in einer Starre, die aus ihrem Inneren kam. Flämmchen krochen aus dem Holz und setzten ihre Bluse und den Unterrock in Brand. Eric kniete und wuchtete die Last von ihr. Mit bloßen Händen klopfte er das Feuer aus und neigte sich dicht über sie: »Juanita?« Ihr Gesicht war bleich. Schmerz um sie würgte ihn. Er konnte kaum sprechen. »Hörst du mich?«
»Si.« Ihre Stimme war dünn, erschrocken, aber auch gefaßt und gelassen. Beinahe froh.
»Ich bringe dich hier raus.« Er brauchte sie nicht zu untersuchen. Er wußte, was geschehen war. Und er wußte, daß sie es wußte.
»Die Stute«, flüsterte sie schwach. »Ich wollte sie für dich retten. Bring sie in Sicherheit. Vielleicht kannst du mich später holen.«
Sanft legte er ihr die Hand auf die Stirn. Es würde kein Später geben. Das Gebäude würde nur noch wenige Minuten standhalten können. Vielleicht nicht einmal mehr so lange, wie sie brauchen würden.
Mit äußerster Behutsamkeit hob Eric Juanita auf seine Arme und trug sie aus dem um sie niederbrechenden Stall. Wolf stieß Solitaire in die Flanke. Sie stand starr, wie eingefroren in dieser Glut. Sie hatte nicht einen Muskel mehr bewegt, seit sie auf die Stallgasse gesprungen war, als Flammen um ihre Hufe zu züngeln begannen. Sie hatte auf Eric gewartet. Seine Kraft würde sie retten.
Die Stalltür stand offen, sie hätte hinauslaufen können, aber ihre Starre konnte nur durch ihn gelöst werden. Juanitas Bemühungen hatte sie nicht einmal wahrgenommen. Es waren Erics Hände, die sie brauchte.
Wolf stieß sie erneut an, drängender. Das infernalische Rauschen und Jaulen der gierigen Flammen schloß sich um sie. Dünne Flammenteppiche kleideten bereits sämtliche Mauern aus. Bald würden sie wie unheilvolle Rubine auf die Stallgasse tropfen und sie in einen Fluß aus Feuer verwandeln.
Wolf verließ Solitaires Seite und stand vor ihr. Er richtete sich auf die Hinterläufe. In diesen Augenblicken spürte er nicht die Hitze, die der Beton unter ihm verströmte. Seine trocken gewordene Nase stieß gegen ihre, und dann leckte er über ihr Maul. Sie blinzelte, erwachte aus ihrer Starre, die den Mutterinstinkt betäubt hatte. Endlich begriff sie, daß Wolf das gleiche für sie tun würde wie Eric: ihr über die lähmende Angst hinweghelfen.
Schritt für Schritt näherten sie sich dem Ausgang, Wolf rückwärts tretend, seine Schnauze dicht an Solitaires Maul; und sie kam ihm nach. Dann war plötzlich die Sicht auf nächtlichen Himmel frei. Sie riß den Kopf hoch, tat einen mächtigen Satz ins Freie und sog die Luft gierig in sich ein. Ihre Lungen weiteten sich. Ihr Hirn wurde klarer. Ihr junger, starker Körper erholte sich bereits, während sie mit besonnenen Bewegungen auf die Koppel zutrabte. Wolf hinkte ihr auf wunden Pfoten nach.
Die Feuerwehr war endlich eingetroffen. Gewaltige Wasserschüsse richteten sich auf ein Gebäude, das eigentlich keines mehr war.
Elaine entdeckte Emily vor dem Stall, hastete zu ihr und stieß hervor: »Wo ist er?«
Emily blickte sie ernst an. Wie ein Leichenbestatter, dachte Elaine.
»Ich weiß nicht«, antwortete sie. »Ich bin selbst sehr in Sorge. Der Hund ist nicht zu finden. Ich habe Eric nicht mehr gesehen, seit die Stute herauskam. Womöglich –«
Elaine wandte sich zum Stall. Sie mußte bei ihm sein. Vielleicht gab es noch Hoffnung.
»Mutter!« sagte hell eine junge Stimme, die bis zu Elaine drang. Sie klang in ihren Grundfesten erschüttert. »Mutter, du weißt, daß weder Eric noch Wolf im Stall sind!«
»Nicht?« Erstaunt blickte Emily zu ihrer Tochter, vermied Elaines Blick.
»Nein! Wolf liegt mit verbrannten Pfoten neben Solitaire auf der Weide, und Eric hat das Mädchen ins Haus gebracht. Und das weißt du!«
»Oh ... ja, richtig. Wie dumm .. wie dumm von mir! In der Aufregung waren mir die Zusammenhänge wohl entfallen.« Emily lächelte entschuldigend und sah zu Elaine auf.
Ihre Blicke tauchten ineinander: Wie sehr dir die Zusammenhänge bewußt waren!
Die tiefblauen Augen sanken zurück. Sie gaben keine Antwort.
Du hättest mich in diese Flammenhölle geschickt.
Elaine wandte sich kalt ab und ging auf das Haus zu. Das junge Mädchen hastete an ihre Seite. »Ich bring Sie zu ihm. Wollen Sie etwas zu
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