Im Schatten des Pferdemondes
verharrte es schnaubend und stampfend vor
ihnen, maß sie mit weit zurückgenommenem Kopf und
blutroten Nüstern; und sprang plötzlich gezielt gegen einen
der gefesselten Männer.
Solitaires Zähne packten ihn an der Schulter und rissen ihn
zu sich. Sie warf ihn mit einem hohen Hufschlag nieder und
hob sich auf die Hinterhand, Die Menschen standen wie erstarrt. Niemand bewegte sich, niemand brachte ein Wort hervor angesichts dieses überwältigenden Hasses. Außer Eric hatte noch niemand von ihnen gesehen, daß ein Pferd einen
Menschen angreift. Es war unbegreiflich und erschütternd. Eric warf sich gegen Solitaire und drängte sie beiseite.
Einer ihrer zum tödlichen Schlag erhobenen Hufe fiel schwer
auf seine Schulter, als er sie niederzwang. Feuer schien aus
ihren Nüstern zu kommen, ihre Augen hatten einen weit
entfernten Blick. Sie keuchte und drängte besinnungslos
gegen ihn. »Prinzessin«, Eric preßte sich gegen ihren Hals
und versuchte, ihr Vordrängen aufzuhalten. »Prinzessin,
ruhig. Du weißt nichts über die Konsequenzen – ein Seil!«
flüsterte er hastig über die Schulter, während ihn die Stute
langsam über das Kopfsteinpflaster zu der Stelle schob, wo
der gefesselte Mann noch immer halb betäubt lag.
Allein Elaine war geistesgegenwärtig genug, seine Bitte zu
erfüllen. Sie fand ein Seil im Kofferraum seines Wagens. Eric
band es eilig um Solitaires Kopf und Hals sowie um die
Fessel der rechten Vorderhand. Er zog an der Schlinge und
knüpfte einen Knoten. Das Bein war hochgezogen und preßte
das Seil gegen ihre Kehle, als sie versuchte, es
niederzustellen. Ihr blieb nichts anderes übrig, als auf drei
Beinen zu verharren. Ihr erstickter, ungemindert zorniger
Schrei übertönte sekundenlang das Tosen des niedergehenden
Stalls. »Verzeih, Prinzessin.« Schwer atmend lehnte Eric sich
gegen sie und wischte sich den Schweiß aus den Augen. »Sie
würden dich erschießen, wenn du ihn tötest. Sie verstehen es
nicht, und wie sollten sie auch?« Dies also war die Parallele,
dies endlich war die Gemeinsamkeit mit Edward: die Statur!
Einer wie der andere war kurz und gedrungen gewachsen.
Freilich war Edward nicht so beleibt wie Juanitas Vater, aber
für die weitblickenden Pferdeaugen machte das keinen
Unterschied.
Wie sehr hatte sich Eric gewünscht, die Cochans auf
frischer Tat zu ertappen, vor Zeugen! Nun, es gab mehr als
genug Zeugen. Und er würde die Wahrheit schon aus ihnen
herauspressen. Wolf war bei ihm, noch bevor er ihn hatte
rufen können. Die verbrannten Pfoten taten ihm weh, aber
dennoch war er zur Stelle, als er fühlte, daß er gebraucht wurde. Grollend stellte er sich über den auf dem Boden liegenden Mann und umfaßte mit seinen messerscharfen Reißzähnen den kurzen Hals. Eric strich der Stute beruhigend über das Gesicht. »Ich werde diesem ... Kerl jetzt einige
Fragen stellen«, wandte er sich an den Feuerwehrhauptmann. »Denke, ich weiß, was Ihnen vorschwebt, junger Mann«,
war die Antwort. »Aber ich sage Ihnen lieber gleich, daß eine
Aussage unter Zwang nicht als rechtskräftig gilt. Besser, Sie
pfeifen den Hund da zurück.«
»Ich verstehe, Sir.« Er rief Wolf zu sich und trat mit ihm
an seiner Seite zu dem niedergeworfenen Mann. Er half ihm
auf die Beine und lehnte ihn gegen die Wand des
Transporters. »Es gibt da ein paar Dinge, über die ich gern
Klarheit hätte, wissen Sie«, sagte er so sanft wie möglich. Es
fiel ihm schwer, sich zu beherrschen. Juanitas Worte
schwirrten in seinem Hirn – er fragte sich ernsthaft, wie ein
einzelner Mensch so viel Bösartigkeit in sich haben konnte.
Cochans Augen waren beständig auf Wolf gerichtet, und es
war offensichtlich, daß er fürchtete, der Hund werde ihm im
nächsten Augenblick erneut an die Kehle gehen. Er hörte
Erics kalte Stimme, die ihn langsam und deutlich befragte. Er
antwortete, noch immer benommen von dem Hufschlag. Ja, er
hatte seine Frau und seine Tochter geschlagen – das sei doch
nichts Besonderes? Ja, er hatte Vieh von den Fargus'
gestohlen; sie hatten das bessere Land, ihre Tiere waren viel
besser. Das sei doch verständlich? Ja, sie hatten die Stute
gestohlen, um sie zu einem hohen Preis verkaufen zu können.
Und als sie ihnen entflohen war, hatten sie ihr zugesetzt –
natürlich. Das blöde Vieh hatte versucht, sie zu narren. »Was haben Sie mit ihr gemacht?«
Cochan wiederholte bruchstückhaft, was Juanita Eric
bereits geschildert hatte.
»Gurte? Gewichte?«
»Si. Irgendwie – Willen brechen.« An dieser Stelle
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