Im Schatten des Pferdemondes
nah sei, und gleichzeitig fieberhaft probierte, welcher Schlüssel zum Schloß am Haupteingang des Stalls paßte. Er wollte nach dem Schloß greifen und hätte sich jämmerlich dabei verbrannt, wäre Juanita nicht so geistesgegenwärtig gewesen, ihren Rock in Fetzen zu reißen und mit Wasser zu tränken, um seine Hände damit zu umwickeln.
Das Feuer flammte unter dem neuen Sauerstoffzustrom der weit geöffneten Türen hellauf.
Ein Gewitter von trommelnden Pferdehufen und fliegenden Leibern brach hervor; sobald Eric die Wendung der Lage zum Besseren ahnte, hatte er Elaine auf einen von Turners Wallachen gehoben: »Halt dich gut fest! Klammere dich an die Mähne! Versuch nicht, ihn zu lenken – nur raus. Wolf wird uns helfen.« Das Pferd schrie auf, als ihm ein Stück Glut auf die Kruppe fiel. Elaine wischte es geistesgegenwärtig weg und fuhr dem Wallach beruhigend über den Hals. Eric sah es mit Bewunderung, als er sich auf Peach zog. Und dann geschah das Wunder, und die Tür öffnete sich. Wolf trieb sie in einem geschlossenen Pulk ins Freie. Bei aller Panik blieb den Pferden keine Wahl: das eine oder andere versuchte sich zu weigern, verharrend in diesem seltsamen Starren in höchster Gefahr, doch Wolf war zwischen ihnen wie ein Fuchs in einem Hühnerstall, und jetzt ritzte er die Fesseln nicht nur, wie in der Nacht des Hengstkampfes, sondern faßte zu. Sie stürmten durch das rotglühende Tor nach draußen. Selbst die Pflastersteine des Hofes waren erfüllt von der Hitze und warfen sie ihnen gegen die Gesichter.
Sie waren heraus und atmeten freie Luft. Eric bemerkte, daß Solitaire fehlte. Er ließ sich aus dem rasenden Galopp vom Pferd fallen, wurde von der Wucht des Aufpralls umgeworfen und rollte einige Meter über das Kopfsteinpflaster. Er hörte, daß Elaine voller Entsetzen seinen Namen rief, aber er hörte auch, daß das Gebälk unter den zerrenden und drückenden Fingern der Feuerfaust immer mehr einstürzte. Keuchend rappelte er sich auf und rannte zurück zum Stall. Das Innere waberte von Flammen, die an den Seiten hochzukriechen begannen und über die Boxentüren leckten. Das Stroh in einigen Boxen brannte bereits lichterloh. Die Hitze, die ihm entgegenschlug, war schier unerträglich, und der beizende Qualm der Strohfeuer nahm der Luft nahezu allen Sauerstoff.
»Eric!« Er hörte nicht, daß Emily ihn anrief. »Eric, Sie können nicht wieder da hinein! Seien Sie vernünftig!«
Doch Eric ließ sich nicht aufhalten: Solitaire sollte nicht die einzige von der verzweifelten Gruppe der Eingeschlossenen sein, die elend zugrundeging. Er mußte es versuchen. Er war es ihr schuldig.
Qualm wirbelte ihm entgegen, reizte ihn zum Husten und ließ seine Augen tränen. Er hob schützend den Arm vors Gesicht, wehrte eine lang herableckende Feuerzunge ab. Sie streifte seinen Arm und sengte den noch ein wenig feuchten Ärmel. Triefend naß war er gewesen, als sie aus dem Stall hatten entkommen können, denn er hatte sie alle noch einmal mit Wasser überschüttet, doch die Hitze sog die Feuchtigkeit gierig auf; der aufsteigende Dampf wirbelte um ihn. Wo war die Stute? Er taumelte halb erstickt durch den dichten Rauch und hustete wieder würgend. Ein ganz ähnliches Husten klang von weiter hinten im Stall zu ihm. Das Husten eines Menschen. Er tastete sich auf den Laut zu: Wer war noch hier? Vage erinnerte er sich, Edward, die Fargus' und das Personal draußen gesehen zu haben. Von ihnen war es niemand. Dann machte er verschwommen die Umrisse der Stute aus, und bei ihr eine weibliche Gestalt, die ihre Arme um Solitaires Hals gelegt hatte und versuchte, sie vorwärts zu ziehen. Er war jetzt dicht genug heran, um sie erkennen zu können, und seine Lippen öffneten sich, aber er konnte das Wort nicht formen: Juanita!
Entgeistert starrte er sie an.
»Hilf mir«, wimmerte sie. »Sie bewegt sich nicht! Eric, hilf mir doch! Nur du kannst sie hier herausbringen!« Erneut schüttelte sie ein keuchender Husten. Um sie herum brachen glühende Stücke der hölzernen Deckenverstrebungen auf die Stallgasse und zerbarsten funkenstiebend. Eric hörte einen Schmerzenslaut hinter sich und fühlte beinah zugleich eine vertraute Nähe. »Wolf«, wisperte er erstickt und drehte sich zu ihm um. Der Hund war ihm nachgekommen über eine Stallgasse, die zunehmend einer glühenden Hindernisbahn glich. Eilig klopfte Eric ihm die Glut von seinem Fell. In diesem Augenblick löste sich hoch über ihnen eine massive hölzerne Verstrebung und
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