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Im Schatten des Pferdemondes

Im Schatten des Pferdemondes

Titel: Im Schatten des Pferdemondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evita Wolff
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Und mit ihm all seine Stuten. Sie fluteten zunächst um sie, doch als sie nur eine Hälfte der Flügeltüren geöffnet fanden, neben der einer der Stallarbeiter, bewaffnet mit einer Gerte, stand –, stauten sie sich vor dem Gebäude und betraten dann gesittet, eine hinter der anderen, den Stall und verteilten sich von allein auf die Boxen, die immer schon ihre gewesen waren.
Nie waren die Zuchtstuten auf Sunrise leichter eingebracht worden.
    Darauf gab es emsiges Arbeiten: Hafereimer und geschnittene Mohren wurden in die Futterkrippen geschüttet, Heu wurde aufgeschüttet und über die Boxentüren geschleudert; Excalibur allein weigerte sich, in den Stall zu gehen. Eric verstand das. Der Hengst war ein Geschöpf des Windes, der unbegrenzten Weite, und wie kann man den Wind in vier Wände sperren und erwarten, er werde noch derselbe sein?
    Er geleitete ihn auf die nahe Koppel zurück, wo er beständig ein Auge auf den Stall und seine Stuten haben konnte, ohne auf dreimal drei Meter eingepfercht zu sein. Selbst die Umzäunung der Koppel mußte schrecklich für ihn sein; nur erduldbar, weil er sich niemals von seiner Herde trennen würde. Edward kam mit einem weiteren Eimer Hafer für ihn gelaufen: »Sir, so etwas habe ich mein Lebtag noch nicht gesehen, was Sie da gemacht haben! Einen wilden Hengst reiten und ihn dazu bringen, die Stuten –«
    »Was ist in dem Eimer? Etwa Hafer?«
»Sicher, Sir.«
»Mann Gottes, soll denn dieses Pferd eine Kolik kriegen?
    Denken Sie doch bloß, er hat seit Monaten nur Gras gefressen, und jetzt plötzlich zwei Eimer Hafer?! Geben Sie ihm lieber kleingeschnittene Mohren, aber nicht zu viel, nur ein paar Handvoll, und einige Forken Heu – zwei oder drei. Und sehen Sie zu, daß er genug Wasser hat. Aber nicht zu kalt!«
»J-ja, Sir!«
Als Eric durch den Zaun schlüpfte, fand er Grandpa, der
    auf ihn gewartet hatte. »Die anderen sind schon ins Haus gegangen, Junge«, sagte er und legte Eric die Hand auf die Schulter, während sie nebeneinander hergingen. »Wie fühlen Sie sich?«
    »Schätze, wie ein Stück Schlachtfleisch, das Bekanntschaft mit dem Fleischwolf gemacht hat, Sir.«
»Aye, das glaub ich gern. War 'n richtiges Husarenstück, Junge. Sind jetzt wohl bereit für ein gutes Mittagessen?«
»Ja, Sir, das bin ich wirklich.« Er bemerkte plötzlich, daß er Grandpa ganz leicht verstehen konnte. Er hatte dank Claire und David keine Schwierigkeiten mehr mit der breiten Mundart. Nicht lange, dachte er, und ich spreche ebenso. »Eigentlich wollte ich erst noch Solitaire ansehen –«
»Nay, kommen Sie ins Haus. Sie müssen sich ein bißchen frisch machen und ausruhen, und vor allem essen und trinken.« Grandpa musterte die staub- und schaumbedeckte Kleidung, bürstete einige Sandklumpen von Erics Schultern, »Ihre Art gefällt mir, Junge«, setzte er überraschend hinzu und klopfte Erics Schulter. »Sie stellen die Kuh über den Eimer. Kein Drumherumgerede. Hatte nie viel für Schwätzer übrig. Sie sind einer, der was tut.«
Bevor sie das Haus betraten, sah sich Eric noch einmal um. Excalibur hatte den Kopf über die oberste Bohle des Zauns geschoben und sah ihnen nach. Grandpa folgte Erics Bewegung und verharrte. »Das hab ich noch nie gesehen«, sagte er offenherzig. »Wenn er sonst auf seine Stuten wartete, rannte er ruhelos herum oder blickte nach dem Stall. Aber niemals nach dem Haus. Der guckt Ihnen nach, Junge.«
Eric blickte Excalibur fest ins Auge, und der Hengst warf kurz den Kopf auf.
    Beim Mittagessen gab es kein anderes Thema als seinen Ritt auf Excalibur. Eric schwieg lange dazu und dachte an diesen Blick des Einverständnisses, mit dem der Hengst ihm nachgesehen hatte. Wenn schon keiner der Anwesenden zu fassen vermochte, weswegen er dieses waghalsige Abenteuer auf sich genommen hatte – der Hengst wußte es und erkannte es an.
    Aber als Turner nach seinem dritten Glas Wein ihn gar mit Alexander dem Großen verglich, und Excalibur mit Bucephalos, legte er mit einem leisen Klappern sein Besteck auf den Teller. Hungrig wie er war, war sein Interesse am Essen erloschen. Sein Blick begegnete dem Turners wie ein Pfeil. »Sir Simon«, sagte er dennoch ruhig. »Mir scheint, Sie bringen da etwas durcheinander. Die Legende besagt, daß Bucephalos Angst vor seinem eigenen Schatten hatte. Niemand konnte ihn besteigen, weil niemand die Möglichkeit in Betracht zog, daß ein Pferd von dieser Wucht und Stärke Furcht vor etwas haben könnte. Alexander beobachtete, wie die besten

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