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Im Schatten des Pferdemondes

Im Schatten des Pferdemondes

Titel: Im Schatten des Pferdemondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evita Wolff
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heran wie vom Wind getragen, in mühelos federndem Trab. Er beachtete die Menschen da auf dem Kamm gar nicht, sondern ordnete resolut seine Stuten. Schließlich, nachdem er sich einmal mehr Gehorsam verschafft hatte und seine ungestüme Herde auf der Talsohle angelangt war, erklomm er mühelos die steile Anhöhe.
    Voll natürlicher Würde kam er schnurgerade auf sie zu. Für Eric war es reine Glückseligkeit, dem Spiel dieser Muskeln unter dem schimmernden Fell zuzusehen, dem mühelosen Ausgreifen der langen kräftigen Beine, die ihn stetig in schnellem Tempo, doch ohne jegliche Hast, über die Steigung trugen. Das reiche Langhaar Excaliburs war ein wenig heller als sein Fell und umwehte ihn wie fliegende Fahnen. Der Hengst näherte sich ihnen, die weiten, dunklen Augen auf den Kamm gerichtet, die feinen Ohren straff gespitzt, vor dem Wind laufend, leidenschaftlich neugierig, ohne einen Anflug von Furcht.
    Als er den Kamm beinahe erreicht hatte, wichen alle außer Turner und Eric um mehrere Meter zurück. Turner murmelte: »Da soll mich doch ...!« und starrte beinah entgeistert den riesigen Hengst an.
    »Kommt zurück!«, rief Emily. »Geht weg von ihm! Man kann ihm nicht trauen!«
Turner wich zurück zu der kleinen Gruppe, doch Eric wandte sich nur nach Emily um. »Wie meinen Sie das?«
Sie schrie auf: »Eric! Vorsicht!« und er wurde sich einer gewaltigen Präsenz in seiner unmittelbaren Nähe bewußt, und gleich darauf, noch bevor er sich umwenden konnte, spürte er eine blitzartige Bewegung, als Excalibur mit dem Kopf nach dem Hafereimer schlug, den Eric in der Hand hielt. Er zog den Eimer instinktiv weg, und der Hengst steilte voller Zorn, sein Leib eine gewaltige Masse unmittelbar über Eric, der dessen hitzige Wärme fühlte und gegen den strahlenden Himmel den Wirbel der Vorderbeine hoch über sich sah. »Streuen Sie den Hafer auf die Erde, Eric! Bitte! Er kennt es nicht anders! Oh, bitte!« Emily schluchzte beinah.
Eric wich dem mächtigen Körper behende aus, und als der Hengst landete, verpaßte er ihm rechts und links einen gehörigen Klaps auf die Kinnbacken. Excalibur schnaubte verwirrt und stand still. Er wartete ab, zu verblüfft für den Moment. So etwas war ihm noch nie geschehen.
»Dir hat wohl nie jemand Benehmen beigebracht?« Erics Stimme hatte diesen langgezogenen, dunklen Klang. Die Ohren des Pferdes schoben sich langsam nach vorn. Eric nahm eine Handvoll Hafer aus dem Eimer, den er mit der anderen Hand hinter seinem Rücken hielt, und bot Excalibur Hafer von seiner Handfläche an. Der Hengst prustete empört, die Körner wurden auf die Erde geblasen. Er warf den Kopf heftig auf und trat zwei Schritte von dem Geruch der menschlichen Hand zurück. Doch seine weiten Nüstern dehnten sich nach dem verführerischen Geruch des Hafers, der ihm erneut hingehalten wurde, und Erics Stimme wurde sanft, einschmeichelnd, es war die Stimme, die er für Lance hatte, für die übrigen sechs Pferde von Turner, mit denen er arbeitete, es war die Stimme, die Lionheart aus dem Verließ seiner Box gelockt und wieder zum Champion gemacht hatte. »Komm, mein Junge, nimm es aus meiner Hand. Sei nicht gar so erhaben. Excalibur ...« Der mächtige Hengst stand unschlüssig. Da war der Hafer, den er wollte – für den er gekommen war –, und da war überdies eine nie zuvor gekannte Kraft in der Stimme eines dieser Zweibeiner, die er immer nur als Wesen angesehen hatte, die Hafer und Heu und Wasser gaben ... aber dieses zweibeinige Wesen schien ihn gar nicht zu fürchten. Excalibur streckte den Kopf weit vor und atmete den Geruch dieses Fremden ein. Er bemerkte nicht die Spur von Angst. Fragend ließ er die Ohren spielen.
»Du kannst Hafer haben«, sagte Eric. »Einen ganzen Eimer voll. Aber zuerst nimmst du ihn aus meiner Hand.«
Er hörte schweres Atmen von der ganzen Gruppe hinter sich. Er hatte Zuschauer nicht gern; er kam sich dann immer so vor wie ein Schmierenkomödiant, wenn schwierige Pferde plötzlich etwas taten, das nicht von ihnen erwartet wurde. Aber er fühlte die Strömungen zwischen dem Hengst und sich. Sie waren zwei vom gleichen Stamm. Er wußte, was in Excalibur in diesen Augenblicken vorging; wußte um das stumme Aufbegehren, das sich nur in dem leisen Flattern seiner starken Flanken zeigte, wußte um den damit widerstreitenden Wunsch, geborgen in einer starken Hand zu sein, einer Hand, die Nahrung und Schutz gab – die ihn einmal, endlich einmal, ruhen ließ.
»Komm nur, Junge. Komm zu

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