Im Schatten des Ringes
dann dürfte mein Mut ihnen sicherlich gefallen. Es heißt, daß Götter stets Gefallen an sicherem Auftreten und Frechheit haben.
Die beiden verharrten und starrten zu uns herüber. Sie hatten dunkles Haar, das kurzgeschnitten war und wie eine Mütze um ihre Köpfe lag. Dazu trugen sie geschmackvoll geschnittene möwengraue Anzüge und glänzende Stiefel. Ich suchte nach Unterschieden in ihren Erscheinungen, fand keine und entdeckte zu meiner Überraschung, daß ich auf Äußerlichkeiten achtete, um sie auseinanderzuhalten, auch wenn es nur ein erster Versuch war. Schließlich bemerkte ich, daß, obwohl beide haarlose Gesichter aufwiesen, eines der Wesen weiblich war.
„Was zum Teufel …?“ stieß sie hervor und wich einen Schritt zurück.
„Keine Ahnung.“ Die Stimme des Mannes klang gleichgültig und angenehm. „Was hat der denn bei sich?“
„Die verdammt sonderbarste Katze, die ich je gesehen habe.“ Und als der Männliche einen weiteren Schritt auf uns zu machte, warnte die Weibliche: „Sei vorsichtig, Sergi. Das Ding sieht gefährlich aus.“
Trotzdem wagte er sich näher heran. Offensichtlich fühlte er sich durch uns nicht gestört, was bei einem Gott sicherlich der Fall gewesen wäre. Sein Ausdruck war eindeutig der große Neugier. „Vielleicht kamen sie aus dem Schattenland hierher“, meinte er leise zu der Weiblichen. Es sollte wohl etwas Freundliches sein.
Ich lächelte ihn an. Dafür, daß er sein Leben im Licht des Gottesfeuers zubrachte, war seine Beschreibung meiner Heimat recht genau. Ich schätzte ihn sofort als schnellen Denker ein, und deshalb vielleicht auch als Führer, daher richtete ich meine Antwort an ihn. „Ja, wir kommen aus den Bergen, die im Schatten der Himmelsbrücke liegen.“
„Es redet!“ rief die Frau und hielt sich argwöhnisch zurück. „Sergi, paß auf die Zähne auf!“
Der Männliche beachtete ihre Warnung nicht. „Wer bist du, Bursche?“
Die Weibliche mischte sich wieder ein und sagte schnell einige Worte in aufgeregtem Tonfall, die so klangen, als beschuldigte sie mich, Flöhe zu haben, oder als fragte sie Teon, ob ihm vielleicht ein Berg auf den Kopf gefallen sei.
„Häh?“ fragte Teon völlig verwirrt.
Der Männliche kam währenddessen immer näher, wobei Teon und ich uns zurückzogen, jedoch von den Büschen in unserem Rücken gestoppt wurden. Der Männliche blieb stehen und streckte seine Hand in einer Geste aus, von der ich hoffte, sie sollte ein Friedensangebot sein.
„Wo kommt ihr her?“ fragte er langsam. „Wo lebt ihr? Wie habt ihr hierher gefunden?“
Nun lächelte Teon. „Aus Schattenland. In einer Höhle am Meer. Ich bin gewandert.“
„Ihr seid zu Fuß vom Schattenmeer hierhergekommen?“ Er schien beeindruckt zu sein. Ich drückte Teons Hand, um sein Selbstvertrauen zu stärken. Er nickte. „Kommt ruhig her“, sagte der Männliche, wobei er immer noch betont langsam sprach. „Wir tun euch nichts.“
Teon zuckte zurück, als der Männliche seine Hand ausstreckte, und dabei schaute er mich fragend an. Ich schüttelte tapfer meinen Schwanz und bedeutete ihm, daß wir die Einladung annehmen sollten. Zusammen traten wir so gemessen wie möglich aus dem Gebüsch heraus. Dann blieben wir dicht vor dem Männlichen stehen. Er roch so süß wie Honig, und seine grauen Augen blickten ebenso fest und stetig wie Teons. Die Weibliche näherte sich nicht, tat betont gleichgültig, was mir nur recht sein konnte; ich mochte ihren Geruch nicht, der mich an den Rauch eines Moosfeuers oder an einen feigen Sklaven erinnerte. Während wir uns eingehend betrachteten, begann es zu regnen.
„Ich bin Sergi, und ich möchte euch helfen“, sagte der Männliche nun und wischte sich gleichzeitig die ersten Regentropfen von der Nase.
Gewöhnlich bieten Götter niemals ihre Dienste an, und ich entspannte mich innerlich, konnte ich doch nun mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, daß er und seine Gefährtin Sterbliche waren. „Ich bin Heao, die Pfadfinderin“, stellte ich mich vor.
Sergis Blick wanderte von Teon zu mir. „Du mußt eine höllisch gute Führerin sein.“
Ich fragte mich, ob er uns für Boten der Geisterwelt hielt, und während ich mit meiner Antwort zögerte, wandte er seine Aufmerksamkeit Teon zu. „Ihr müßt ja eine schreckliche Reise hinter euch haben. Ihr seid ja nur noch Haut und Knochen. Aber keine Sorge, ihr habt es geschafft. Wir haben genug Lebensmittel. Wir bringen euch zur Siedlung zurück.“
Die Weibliche
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