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Im Schatten des Ringes

Im Schatten des Ringes

Titel: Im Schatten des Ringes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Felice
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als von einer Stadt, obwohl es sich in Wirklichkeit nur um ein paar Dörfer handelte, die durch schmale Fußbrücken über die tiefen Schluchten mit einem nahezu zentral gelegenen Tempel verbunden waren. Prinz Chels Vater hatte mehr oder weniger über das gesamte Tafelland regiert und als Gegenleistung für die Versorgung seiner Soldaten und seiner Familie die Bewohner vor den Angriffen von Banditen und feindlich gesonnenen Nomaden geschützt. Er verteidigte außerdem den Tempel und wurde dafür reich belohnt, und er griff in das säkulare Leben ein, wann immer es nötig war.
    Den ganzen Sommer hindurch kamen die Flachländler scharenweise zu uns. Sie bauten Häuser, kauften Fassadensteine und Marmor aus Chels Steinbruch und Bauziegel von den Dörrleuten. Unsere Baumeister und Architekten arbeiteten Seite an Seite mit importierten Arbeitern, zeigten ihnen, wie man die stabilen glockenförmigen Fundamente herrichtete und die Widerlager, welche dafür sorgten, daß die Häuser während immer wieder auftauchender Erdstöße nicht einstürzten. Die Bauwerke wuchsen scheinbar über Nacht. Dann kamen die Krieger des Erobererkönigs mitsamt ihrem Troß aus Kaufleuten und Handwerkern und bevölkerten sie. Etwa zur Mitte des Sommers hatte sich unsere ländliche Gemeinde um das Doppelte vergrößert und war nun zweifellos eine richtige Stadt, und das Wachstum setzte sich mit gleichem Tempo fort.
    Tarana schickte Hüterinnen fort, die uns vertraut waren, und ersetzte sie mit Hüterinnen und Akoluthen aus dem Tiefland, und sie sammelte immer mehr um sich, bis das Rascheln ihrer Gewänder den Tempel erfüllte. Tempeltrommeln waren regelmäßig durch den nie-derrauschenden Regen und den rollenden Donner zu hören und kündigten Bekanntmachungen des Erobererkönigs wie auch die sonst üblichen an.
    Was mich und die anderen Akademer direkt betraf, war die unerwartete Ankunft von gescheiten jungen Leuten, die vom Erobererkönig den Akademern als Novizen zugeteilt wurden. Bisher hatten wir unsere Schützlinge immer selbst unter den intelligentesten Landbewohnern gesucht. Gelegentlich wurde auch von Clanmagiern oder Hexen ein Kind aus den Bergen zu uns gebracht, damit wir es begutachteten. Da ich selbst auf ähnliche Weise zu Akadem gekommen war, hoffte ich inständig, ein Kind aus den Bergen als meinen Schützling auszusuchen, denn ich glaubte, daß meine nomadische Herkunft für meinen ausgeprägten Orientierungssinn verantwortlich war. Aber ich hatte niemals daran gedacht, so bald schon nach Übernahme meiner Gewänder einen Schützling bei mir aufzunehmen. Sie stellten für ihre Meister nämlich eine schwere Bürde dar, da sie von ihm gekleidet und verpflegt werden mußten. Plötzlich hatte ich einen Schützling, ob ich es nun wollte oder nicht.
    Ich war soeben erst mit einem Bündel Rehleder vom Gerber zurückgekehrt, als Rellar eine Goldmünze in die Luft schnippte. Meine Hand schoß vor und fing sie auf. „Was für eine Landkarte muß ich dafür anfertigen?“ erkundigte ich mich. Ich legte die Häute an meinem Arbeitsplatz nieder, um die Münze eingehender zu betrachten. Sie stammte aus dem Tiefland und war sehr schwer.
    „Niemand will eine Landkarte von dir“, informierte Rellar mich. „Tarana schickte sie dir und bestimmte auch eine für mich. Es geschah auf Geheiß ihres Traumgefährten, des Königs.“
    „Sie versuchen doch nicht etwa, meinen Traum zu kaufen?“
    Er schüttelte den Kopf und begann auf und ab zu gehen. „Diese Frau ist überaus raffiniert“, murmelte er. „Die Münzen ersticken jedes praktische Argument, diese Jungen abzuweisen.“
    Die beiden waren soeben losgeschickt worden, um einige Aufträge auszuführen, womit sie wahrscheinlich die ganze Zwienacht beschäftigt waren. „Ist das etwa so etwas wie Lehrgeld?“ Die Praxis, daß Mentoren bezahlt wurden, war mir neu, dafür aber nicht weniger reizvoll. Ich stand immer noch in Rellars Schuld und besaß selbst so gut wie nichts.
    „Die Botin nannte die Münzen ein Geschenk, aber ich denke, wenn man sie Bezahlung nennt, dann ist das noch die freundlichste Bezeichnung, die wir dafür finden können. Ich sage ganz offen Bestechung.“
    „Ich brauche die Münze“, sagte ich nachdenklich. Der mittlerweile vergrößerte Markt bot eine Vielzahl von wunderbaren, importierten Waren an, die nur darauf warteten, bewundert und gekauft zu werden.
    Rellar funkelte mich an. „Diese Jungen und praktisch alle Kinder, die er unseren Gefährten geschickt hat, sind

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