Im Schatten des Ringes
ich würde einem Ehebruch zustimmen.
„Wenn du mich eingehend genug hast überwachen lassen, um zu wissen, daß ich die Behausung des Kaufmanns des öfteren aufsuche, hätten deine Spione dir auch mitteilen müssen, daß ich mit ihm Geschäfte tätige.“
„Ja“, gab er nickend zu. „Davon habe ich gehört.“
Allmählich wurde ich zornig. Chel benahm sich wie ein eifersüchtiger Liebhaber, obwohl wir niemals mehr als freundschaftliche Klapse und Neckereien ausgetauscht hatten, und einige gemeinsame Versuche in unserer Jugend, über die man am besten nicht mehr redete. Ich legte meinen Schwanz in eine stolze Haltung, als er fortfuhr.
„Das macht deine Zurückhaltung noch seltsamer.“
„Du arroganter Fatzke!“ schimpfte ich. „Muß ich es denn sein, der zu dir kommt?“
Chel lächelte entwaffnend. „Ich denke, nein.“
Mein Schwanz sackte im Schock schlaff herab. Er war wirklich ein eifersüchtiger Liebhaber. Ich erkannte es im Funkeln seiner eisengrauen Augen und in der Haltung seines Schwanzes. Er hatte einen Teil seines verrückten Stolzes geopfert, indem er von sich aus von einer möglichen Werbung um mich gesprochen hatte. „Oh, Chel … es tut mir so leid, aber …“
Sein Schwanz sank reflexartig herab, und der Ausdruck seiner Augen verhärtete sich. „Der Kaufmann?“
Es fällt mir sehr schwer, Geheimnisse zu behalten, besonders meine eigenen. Es liegt in meiner Natur, so geradeheraus zu sein, wie man es überhaupt vermag. Ich hatte noch nie zuvor ein Geheimnis wie dieses, und das, obwohl es nur wenige Freunde gab, die ich genauso mochte wie Chel. Wenn ich ihn anlog, meine Zuneigung zu Baltsar abstritt, und doch auf die Werbung des Mannes wartete (was meine innigste Hoffnung war), würde Chel wissen, daß er betrogen worden war. Schließlich nickte ich. „Ja, der Kaufmann.“
Chel wandte sich ab und dachte plötzlich angestrengt nach. Als er mich wieder anschaute, war sein Rücken gerade, sein Pelz gesträubt, und der Schwanz ringelte sich um seinen Hals. „Der Kaufmann ist ein oberflächlicher Mann, Heao. Er befleißigt sich einer geradezu königlichen Haltung und Lebensweise, jedoch fehlen ihm dazu die menschlichen Qualitäten. Daß er eine Kurtisane anstelle eines richtigen Weibes zu sich genommen hat, macht seine Erscheinung noch armseliger. Er ist deiner nicht wert. Wenn du mir versprichst, daß du ihn vergessen wirst …“
Ich schüttelte den Kopf. „Einigen wir uns darauf, daß ich vorerst lieber allein bleiben will.“
„Unsere Zeit der Werbung kann so lange dauern, wie du es willst.“ Das war das äußerste an Antrag, zu dem Chel sich aufraffen konnte, doch er hatte sich schnell wieder in der Gewalt. „Ich werde dich kein zweites Mal fragen“, schloß er rauh.
„Das glaube ich dir“, meinte ich und schüttelte wieder den Kopf.
Schweigend schlüpfte Chel in sein Cape, wobei der gesträubte Pelz kaum zuließ, daß er sich die Kapuze über den Kopf zog. Sein letzter Blick war weder traurig noch erbost, auf seinem Gesicht lag bereits wieder ein souveränes Lächeln.
Ich starrte lange die leere Türöffnung an und hoffte dabei, das Richtige getan zu haben, um unsere Freundschaft zu erhalten.
„Du hast ihm nicht von dem Traum erzählt“, brach Rellar das Schweigen.
„Mein Traum hat mit Baltsar oder Chel überhaupt nichts zu tun.“
„Ich dachte eher an den Traum des Königs“, hakte Rellar nach, „und an Taranas.“
„Über den Traum des Königs gibt es schon genug Spekulationen“, sagte ich. „Es ist dein Fehler, Träume interpretieren zu wollen.“
„Suchst du denn bei deinen nicht nach einer Erklärung?“ wollte Rellar wissen.
„Nein, das tue ich nicht. Ich folge ihnen nur und lebe sie aus.“
„Und wohin führt dich das?“
Ich gab keine Antwort, und Rellar wiederholte seine Frage nicht, wußte er doch, daß ich auch dann nichts erwidern würde.
10
Trotz der Großzügigkeit seines Gastgebers, die, wie ich annahm, sicherlich nahezu grenzenlos war, residierte der Erobererkönig fast ausschließlich im Tempel. Er stand nicht weit von dem Grundstück, das er für seine Festung vorgesehen hatte, und ab und zu genoß er es, den Aufbau seines neuen Heimes zu verfolgen. Hof, wenn ich die informellen Zusammenkünfte überhaupt so benennen darf, wurde ebenfalls völlig willkürlich gehalten – zum Beispiel während er spazierenging, wenn er an einem Fest teilnahm oder ein solches veranstaltete, wenn er den Tempel oder seine ihm allein vorbehaltenen
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