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Im Schatten des Ringes

Im Schatten des Ringes

Titel: Im Schatten des Ringes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Felice
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dann gab es auch eine ganze Reihe von Möglichkeiten für die starken Töchter und Söhne des einfachen Volkes. Sie konnten entweder in den Grenztruppen der Kriegerprinzen und -Prinzessinnen dienen oder ihren Lebensunterhalt als Arbeiter für die reichen Kaufleute, Bauern und Edelleute verdienen. Die ärmeren Leute in der Stadt waren zufrieden, und sie hatten sogar Pfennige übrig, die sie auf die Tempelaltäre legten. Die Kaufleute waren zufrieden, weil ihre Geschäfte florierten. Die Bauern waren zufrieden, weil sogar Verteidigungsarmeen große Mengen an Lebensmitteln verbrauchten, welche der Boden reichlich hervorbrachte. Der Erobererkönig erhob hohe Steuern, und wir alle zahlten sie mit einem Lachen, denn es gab immer noch genügend Waren und Gold für uns, wenn man die Steuern abrechnete. Nur die Sklaven lachten nicht so oft, die armen Dinger, denn es waren ihre Rücken und Schultern und ihr Leben, auf denen wir unseren gehobenen Lebensstandard genossen.
    Mein Weg führte mich unter einem mit Koniferenästen und Treibholz befestigten Dach her, dann durch einen verlassenen Haushof, der in Wirklichkeit die Spitze eines felsigen Hügels war. Unterhalb des Berges erstreckte sich eine der vielen Schluchten, die die Tafellandstadt unterteilten, und unter der überhängenden Klippe befand sich eine Höhle, in der Rellar lebte. Ich stieg die gemeißelten Treppenstufen hinab und wanderte an der Felskante entlang, bis ich zu dem ledernen Windbrecher gelangte, der seine Tür verschloß. Ich schob ihn beiseite und trat ein.
    Rellar hockte vor seiner Feuerstelle, mit über Kreuz geschlagenen Beinen und nackt. In seiner Nacktheit wirkte er noch zerbrechlicher als im Schmuck seiner feierlichen Gewänder, die er nur noch anläßlich der seltener gewordenen Versammlungen von Akadem trug.
    „Heao“, sagte er, ehe ich auch nur drei Schritte in seine geräumige Kammer gemacht hatte. Rellars Ohren sind schärfer als die Ohren der meisten Leute, und vor allem hören sie genauer; Manya und Teofil haben ungefähr mein Gewicht, und er läßt sie sogar im Sommer beschuht und voll bekleidet herumlaufen. Obwohl Rellar blind ist, hat er meine Schritte noch nie mit den ihren verwechselt. Er drehte sich um, richtete seine schimmernden Augen auf mich, als ich mich näherte, ein netter Trick, den er sich angewöhnt hatte: keine gesenkten Lider oder leeren Blick und kein herabhängendes Kinn. Oft genug täuschte er die fremden Besucher. „Trockne dein Cape, Frau“, forderte er mich auf. „Lüfte deinen Körper aus.“
    „Das werde ich wohl tun“, entgegnete ich dankbar, denn ich war völlig durchnäßt, „aber du brauchst ein größeres Feuer. Darf ich?“
    Rellar wies auf die Torfziegel zu seiner Linken. „Du brauchtest nicht soviel Wärme, wenn du deine Kleider im Schrank lassen und deinen Körper abhärten würdest.“
    „Ich habe im Moment schon genug Sorgen, als daß ich mir in der Stadt noch einen zusätzlichen Skandal leisten kann, indem ich nackt herumlaufe“, hielt ich ihm entgegen. Ich löste die Schnallen und breitete mein Cape auf einem zerschlissenen Polster aus. Dann ging ich hinüber zu dem Torf Stapel und wählte zwei Ziegel aus. Das kleine Feuer, das Rellar unterhielt, gloste unter den Ziegeln, und dann entzündete das Moos sich und begann sanft und wärmend zu glühen. Ich stellte mich in Positur, um die ganze Hitze des Feuers aufzufangen und hielt dabei die Falten meines Gewandes mit dem Schwanz von meinem Körper fern, damit meine Sachen schneller trockneten.
    Rellar rückte ein Stück von der Glut fort. „Der Pelz reicht völlig, um einen richtig warm zu halten“, meinte er mißbilligend.
    „Aber nicht dein Pelz“, entgegnete ich und bemühte mich, dabei nicht zu lachen, denn er schien es schrecklich ernst zu meinen. Rellars Pelz war fast kahl.
    Er schüttelte stirnrunzelnd den Kopf. „Unsere Vorfahren sind ohne Kleider ausgekommen.“
    „Wenn du auf die Illustrationen in den Katakomben des Tempels anspielst und wenn diese Leute wirklich unsere Vorfahren und nicht nur die Phantasiegebilde eines kunstsinnigen Akoluthin sind, dann lebten unsere Vorfahren in einer viel wärmeren Welt, von trockener gar nicht zu reden.“ Meine Stiefel hatten eine kleine Pfütze entstehen lassen, und ich trat aus der Lache heraus.
    „Unsere Welt wird wieder wärmer, und das ist eine Tatsache und kein Bild an einer Wand. Ich kann mich noch daran erinnern, daß die Gletscherzungen die Fjorde ausfüllten und am Meer

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