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Im Schatten des Ringes

Im Schatten des Ringes

Titel: Im Schatten des Ringes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Felice
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wieder zu Wohlstand zu gelangen, da sein Steinbruch vollkommen unter Wasser steht.“
    „Nein“, widersprach ich, „nicht Chel. Er ist seit unserer Kindheit mein Freund. Und wenn das noch nicht reicht, dann bedenke, daß er meine Erfahrung und mein Können braucht, um sicher durch das Immernachtgebirge zu gelangen.“ Ich schüttelte den Kopf. „Uns zu ermorden, würde uns zu Märtyrern machen, Rellar. Und das wollen sie ganz bestimmt nicht.“
    „Wenn der Held, der den Göttern das Feuer gestohlen hat, gestolpert und bei einem Sturz in einen Fjord das Genick gebrochen hätte, anstatt von einem Pfeil Flammenhüters getroffen zu werden, würden wir ihn vermutlich längst vergessen haben.“
    Ich entzog Rellar meine Hand. „Ich bin zu trittsicher, um in eine Schlucht zu stürzen, und zu schnell für den Pfeil eines Mörders.“
    Rellar seufzte. „Du bist stur.“
    „Genau wie du“, entgegnete ich.
    Er lächelte mich an. „Ich werde heute zur Versammlung gehen, nur um zu hören, wie gut Prinz Chel seine Sache vertritt.“
    „Mit oder ohne deine Gewänder?“
    „Hmmm“, schnurrte er, „laß mich nachdenken. Kleider reiben auf meiner Haut und scheuern den Pelz ab.“
    „Schon möglich, aber ich glaube kaum, daß die Haarbüschel, die du deinen Pelz nennst, deine Extremitäten vor dem Erfrieren bewahren, wenn du nackt durch den Schnee wanderst.“
    „Ich glaube, es ist nicht warm genug.“
    Ich lachte und griff nach meinem Cape. „Die Leute werden froh sein, daß du von ihnen nicht erwartest, auf ihre Kleider ebenso zu verzichten wie auf ihre Sklaven.“
    „Unter den gegebenen Umständen dürften sie doch gar nicht wissen, was ich wirklich von ihnen erwarte.“
    Ich legte mir mein Cape um, das nahezu trocken war, und tätschelte Rellars Schulter. „Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, daß Chel Akadem davon zu überzeugen versucht, daß Flammenhüter sein Feuer in einem Boot mit sich führt. Diese Vermutung wurde ihm gegenüber völlig vertraulich geäußert, und Chel würde sie auch unter der Folter in der Öffentlichkeit niemals von sich geben. Aber vielleicht drohe ich ihm mit Enthüllung“, meinte ich grinsend. „Wenn er heute genügend motiviert ist, könnte er Tarana und ihre befreundeten Hüterinnen zwingen, sich die Sache mit der Ächtung noch einmal zu überlegen. Chel braucht uns.“
    „Er braucht dich“, berichtigte Rellar. „Ich bin zu alt, um an einer Forschungsexpedition teilzunehmen.“
    „Wenn man mich nicht mehr ächtet, dann kann man das mit dir auch nicht mehr tun“, sagte ich, als ich die Kammer durchquerte.
    „Heao, warte!“ Ich wandte mich um und sah gerade noch, wie er seinen zerbrechlichen Körper hochstemmte. „Du erwartest doch nicht ernsthaft, Tarana durch Chel unter Druck setzen zu können, weil er dich für seine Expedition nötig hat, nicht wahr?“
    „Natürlich.“ Ich sagte es leichthin, denn Rellar konnte nicht mein verschlagenes Lächeln sehen.
    Rellar schüttelte den Kopf, und ich verließ ihn.
    Der Zwienachtregen hatte sich während meines Besuchs bei Rellar in Schneematsch verwandelt. Ich benutzte den überdachten Gehsteig im neuen Teil der Stadt, obwohl er nicht auf meinem Weg lag. Wir nahmen große Mühen auf uns, um trocken zu bleiben. Der Erobererkönig hatte den Kopfsteinpflasterpfad zwischen seiner Festung und dem Tempel überdachen lassen, so daß er trocken zu seinen regelmäßigen Andachtssitzungen gelangen konnte. Dann hatte er Dächer über den Pfaden zu seinem bevorzugten Hurenhaus, zum Forum und sogar zu den privaten Sandgruben errichten lassen. Da die Kaufleute und Handwerker seinem Beispiel nacheiferten, hatte es gar nicht lange gedauert, bis die meistbegangenen Straßen der Stadt allesamt Dächer aufwiesen. Den Kindern der Bettler erschlossen sich auf diese Weise ganz neue Verdienstmöglichkeiten. Sie postierten sich an den Stadttoren und boten den Reisenden vom Lande, die in der Stadt ihren Geschäften nachgingen, ihre Dienste als Schirm Wächter an. Es ist schon eine hübsche Muschel oder gar einen Viertelpfennig wert, seine Hände frei zu haben; ich bezahle immer bereitwillig. Man muß jedoch die Stadt durch dasselbe Tor verlassen, durch das man sie betreten hat, sonst findet man kaum eine Zwienacht später seinen Schirm in einem Verkaufsstand an einem anderen Tor wieder. Da ich die Stadt durch das Haupttor betreten hatte, mußte ich sie auch auf diesem Weg verlassen, was zur Folge hatte, daß ich die abgewendeten Augen und gesenkten

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