Im Schatten des Ringes
nicht, sie auch in die Freiheit zu entlassen und ihnen Löhne zu zahlen“, meldete ich mich wieder. „Ich hatte eher an gewisse Menschenrechte gedacht, zum Beispiel an Anhörungen anläßlich von Todesurteilen oder Prügelstrafen zum Beispiel.“
„Ich glaube, ich werde wohl nie begreifen, warum du dich nicht von Anfang an so unmißverständlich ausgedrückt hast“, meinte Baltsar kopfschüttelnd. „Viele Bürger lehnen harte und grausame Behandlung ab. Du hättest in dieser Sache sicherlich viele Mitstreiter in der Öffentlichkeit gefunden. Nun bist du jedoch geächtet worden. Niemand braucht dir jetzt mehr zuzuhören. Und genaugenommen darf das auch niemand.“
Völlig frustriert ließ ich mich auf ein Polster nieder. „Tarana hat uns ja nicht einmal Zeit und Gelegenheit gegeben zu erklären, warum unsere Studien so wichtig waren.“
„Na schön, und warum?“
„Wenn wir ihr Menschsein nicht anerkennen, erhalten wir auch keine neuen Rechte.“
„Welche Rechte?“ fragte Baltsar zweifelnd.
„Das Recht des Eigentümers, für seine unzuverlässigen und unehrlichen Sklaven nicht mehr verantwortlich zu sein.“
Baltsar setzte sich neben mich und legte mir eine Hand aufs Knie. „Wenn Sklaven Menschen sind, dann muß man ihnen die Freiheit geben. Einen Mittelweg gibt es da nicht. Und da der Adel ohne Sklaven nicht auskommen kann, wird der Tempel ihren Status niemals ändern.“
„Dessen Position in dieser Sache ist bestenfalls wacklig“, sagte ich und wollte seine Logik nicht einsehen. „Als im Immernachtgebirge die ersten Sklaven gefangen wurden, gaben sie seltsame Laute von sich und konnten nicht reden. Nun jedoch begreifen wir, daß diese Laute in Wirklichkeit eine fremde Sprache waren.“
„Du begreifst das“, sagte Baltsar. „Du hast dir die Zeit genommen, ihrem Gemurmel irgendwelche Bedeutung beizuordnen. Aber versuch doch mal, jemand anderen davon zu überzeugen, daß es mehr als eine Art und Weise gibt, ein Wort zu bilden oder eine Idee mitzuteilen. Selbst wenn du recht haben solltest, werden sie immer noch als völlig anders angesehen, weil sie sich nicht der normalen menschlichen Sprache bedienen. Außerdem haben sie keine Schwänze, was letztlich ihre Kommunikationsform doch recht unvollständig erscheinen läßt.“
„Die Hüterinnen wissen genau, daß Sklaven über eine eigene Sprache verfügen“, sagte ich. „Wüßten sie es nicht, dann würden sie kaum Höchstpreise für Kommunikatoren bezahlen, also Sklaven, die von der menschlichen in die Sklavensprache übersetzen können.“
Baltsar nahm die Hand von meinem Knie. „Einige wenige haben die Fähigkeit, unsere Sprache zu erlernen. Das beweist überhaupt nichts. Mein Haushund zum Beispiel versteht auch zwanzig oder dreißig Worte.“
„Baltsar, du weißt doch genau, was ich meine! Jeder ist sich darüber im klaren. Die gesamte Menschheit kann doch nicht einfach ignorieren, was ihre Augen und Ohren ihr als richtig demonstrieren!“
„Aber sie ignorieren dich, Heao, und das äußerst wirkungsvoll.“
Trübsinnig hockte ich da. „Nach der heutigen Versammlung wird sich einiges ändern“, blieb ich stur bei meiner Meinung. „Chel wird auch noch ein Wörtchen mitreden.“
„Kennst du den Prinzen wirklich gut genug, um sicher sein zu können, daß er dich für seine Expedition braucht?“
Ich nickte, dann lächelte ich schief. „Wir standen uns sogar nahe genug, daß er mich bat, Helferin-im-Leben zu werden.“
„Warum hast du ihn zurückgewiesen?“ erkundigte Baltsar sich mit plötzlich erwachter Neugier.
„Weil ich ihm nicht so nahestehen wollte.“
„Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, warum ich dich nicht zurückgewiesen habe“, meinte Baltsar sinnend.
Ich atmete zischend ein und war für einen Moment sprachlos.
„Laß nur, Heao. Ich kann es mir leisten, eine Karawane zu versäumen. Du solltest dich besser umziehen. Mussa wird bald hier sein.“
Aber zum vereinbarten Zeitpunkt war von Mussa nichts zu sehen. Ich schaute zur Tür hinaus und hoffte inständig, sie über den Kopfsteinpflasterpfad zu uns heraufsteigen zu sehen. Auf meiner Schulter spürte ich Baltsars Hand.
„Mussa ist da noch konsequenter als meine Geschäftspartner. Sie ächtet uns beide.“
Ich wollte dem widersprechen. Dutzende von Entschuldigungen für ihre Abwesenheit gingen mir durch den Kopf; jede davon wirkte irgendwie lahm. „Bis zum Anbruch der Zwienacht wird sie sich bei dir entschuldigt haben“, sagte ich verärgert.
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