Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Schatten des Schloessli

Im Schatten des Schloessli

Titel: Im Schatten des Schloessli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Kahi
Vom Netzwerk:
verstehe ich keinen Spass.»
    «Nie im Leben würde ich es wagen, über Ihren Namen Witze zu machen, Herr Unhold, wo Sie doch bei der Kripo sind.» Schon wurde Flora von einem neuen Lachanfall geschüttelt.
    «Un-old. Ohne h», korrigierte Unold sie säuerlich. «Wenn Sie sich von Ihrem Heiterkeitsausbruch erholt haben, haben Sie vielleicht die Güte, mir Ihren eigenen Namen zu verraten.»
    Flora blieb das Lachen im Hals stecken. «Winkelried», schnappte sie. «Flora Winkelried. Und keine Witze jetzt!»
    Unold schaute sie einen Augenblick verblüfft an. «‹Der Freiheit eine Gasse!›», brüllte er dann und stiess die Faust in die Luft.
    «Wenn Sie glauben, ich stürze mich jetzt in ein Bündel Lanzen, haben Sie sich geschnitten», rief Flora ihm nach, als er lachend an seinen Platz zurückkehrte. «Laffe, eingebildeter.» Es kostete sie schier übermenschliche Anstrengung, nicht länger in seine Richtung zu starren. Sie riss das Geschirrtuch vom Haken und machte sich daran, die Kaffee- und Suppenlöffel aus dem Besteckfach der Geschirrspülmaschine einzeln nachzupolieren. «Und du», fauchte sie ihr Spiegelbild auf der nach innen gewölbten Seite des Suppenlöffels an, den sie in der Hand hielt, «führ dich nicht auf wie ein pubertierender Teenager!» Ihr verzerrtes und auf dem Kopf stehendes Ich starrte sie aus aufgerissenen Augen an und bewegte den fratzenhaften Mund im Takt ihrer Worte. «Scheisse aber auch!» Flora schmetterte Tuch und Löffel auf die Arbeitsplatte neben dem Geschirrspüler und nahm stattdessen den Kuli zur Hand, der an ihrem Ausschnitt steckte. «Unold, Patrick Unold», kritzelte sie auf die Rückseite eines zerknitterten Kassenbons und faltete das Papier zweimal zusammen. Dann hielt sie ratlos dreinschauend inne. Intensiver Bananenduft erfüllte den Raum hinter der Theke. Banane. Abermals musste Flora lachen. Sie hätte zwar gut ohne Pendlerzeitungen leben können, in Momenten wie diesen aber kamen deren banale Informationen wie gerufen. «Wie Sie einen Mann anziehen»– am Montag oder Dienstag hatte eines der Gratisblätter Flora detailliert darüber aufgeklärt. Ohne lange nachzudenken, machte sie sich daran, die Anleitung Schritt für Schritt zu befolgen. Punkt eins –«Schreiben Sie den Namen des Mannes, den Sie erobern wollen, auf einen Zettel»– konnte sie abhaken und direkt mit Punkt zwei beginnen: «Bestreichen Sie den Zettel mit etwas Honig, schälen Sie eine Banane, halbieren Sie sie der Länge nach, klemmen Sie den Zettel zwischen die beiden Hälften, wickeln Sie alles in Alufolie und legen Sie die Liebesbanane so lange ins Kühlfach, bis Sie Ihr Ziel erreicht haben und der gewünschte Mann Ihnen gehört.»
    Wie kindisch ist das denn, dachte Flora, leckte sich den Rest des veganen Löwenzahnhonigs von den Fingern und schob das Päckchen zuhinterst in den Eisschrank. Wüsste Stephan davon, er würde sie zur psychiatrischen Abklärung schicken. Stephan. Sie seufzte. Doch dann sah sie Unold vor sich, und ihre Melancholie verflog.
    * * *
    «Sie!» Saliha Arslan umschlang ihre schwarze Ledertasche mit beiden Händen und presste sie an die Brust.
    Unold hob den Kopf. «Sie!» Er lächelte.
    «Ja dann …» Saliha Arslan machte einen Schritt zur Seite, liess die Tasche sinken und strich sich mit der freien Hand eine schwarze Haarsträhne aus dem Gesicht.
    Unold klappte das Notizbuch zu, raffte Johannes’ Briefe zusammen und schob alles an den Rand des Bistrotischchens. «Bevor ich’s vergesse: Ein Gruss vom Idioten.»
    Saliha Arslan wurde so rot, dass Unold beinahe laut herausgelacht hätte. «Das war doch nur Spass. Natürlich habe ich meinem Onkel nichts erzählt.»
    «Zu gütig.»
    «Trinken Sie jetzt, heute, vielleicht einen Kaffee mit mir?»
    Sie schien zu überlegen. «Ich habe noch nichts gegessen», brachte sie schliesslich hervor.
    «Dann sind Sie hier genau richtig. Die Dame des Hauses ist zwar etwas zerstreut, davon und vom Kaffee abgesehen schmecken die Sandwiches ausgezeichnet.»
    «Wie viele haben Sie denn schon probiert?»
    «Das hier ist mein zweites.»
    «Hab ich mir fast gedacht. So lange sind Sie ja noch gar nicht in Aarau.» Sie zog den Stuhl, der jenem von Unold gegenüberstand, vom Tischchen zurück und setzte sich. «Bilden Sie sich bloss nichts darauf ein.»
    «Keine Bange, ich bin Realist genug, um zu wissen, dass einzig der Hunger Sie dazu treibt, sich hier niederzulassen.»
    «Dann ist es ja gut. Nebenbei: Ich mag Wirklichkeitsmenschen.»
    «Apropos

Weitere Kostenlose Bücher