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Im Schatten des Teebaums - Roman

Titel: Im Schatten des Teebaums - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran Sylvia Strasser Veronika Duenninger
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leichten Galopp oder wenigstens in Trab zu bringen, indem sie ihm die Hacken in die Flanken stieß oder mit der Zunge schnalzte, gab sie es auf. Statt ihre Energie sinnlos zu vergeuden, setzte sie sich bequem in den Sattel und betrachtete die wunderschöne Landschaft. Das satte Grün würde in der sengenden Sommersonne Südaustraliens verdorren, aber noch gab es in der dichten Vegetation unzählige Plätze, an denen ein Tiger sich verstecken konnte. Kein Wunder, dass die Suchtrupps ihn nicht aufgespürt hatten. Die Straße war stellenweise mit Kängurubäumen gesäumt, deren Äste tief herunterhingen, und es gab zahlreiche Akazienhaine, Sumpfeichen, Banksia- und Geißblatthecken sowie Teebäume.
    Eliza spähte ängstlich nach oben, sooft sie an Bäumen vorüberkamen, deren Äste weit über die Straße reichten. Auf dem Hinweg, in Noahs Eselskarren, hatte sie keinen Gedanken daran verschwendet, aber jetzt fürchtete sie, das Raubtier könne in einem der Bäume lauern und sich von dort auf sie stürzen. Nells Ohren zuckten und stellten sich dann aufrecht, als hätte sie etwas Ungewöhnliches gehört, was Eliza noch nervöser machte.
    »Ich hoffe, du kannst wenigstens galoppieren, falls der Tiger auftaucht«, sagte sie zu der Stute. Nell schnaubte wie zur Antwort, und Eliza musste lächeln.
    Sie hatte sich gerade ein wenig entspannt, als ein lautes Rascheln und Flattern in den Ästen eines nahen Baumes der Stute einen solchen Schrecken einjagte, dass sie scheute und durchging. Eliza, die nicht darauf gefasst gewesen war, wäre um ein Haar abgeworfen worden.
    »Brrr!«, rief sie und zog mit aller Kraft die Zügel an. Endlich, nach etlichen bangen Metern, brachte sie das Pferd unter Kontrolle. Als Nell wieder im Schritt ging, drehte Eliza sich um. Über den Bäumen zog ein Vogelschwarm am Himmel dahin. Ross und Reiterin hatten die Vögel offenbar erschreckt, worauf sie aufgeflogen waren und dadurch wiederum das Pferd in Panik versetzt hatten. Eine Hand auf ihr heftig pochendes Herz gepresst, atmete Eliza tief durch. »W enigstens weiß ich jetzt, dass du schnell sein kannst, wenn es drauf ankommt«, sagte sie zu Nell und verdrängte den Gedanken, dass es der Tiger gewesen sein könnte, der die Vögel aufgescheucht hatte. Sie schauderte. Nein, daran wollte sie lieber nicht denken.
     
    Ohne weitere Zwischenfälle gelangte Eliza nach Tantanoola. Mannie Boyds Hütte war leicht zu finden, doch die kurze Zufahrt dorthin wurde von einem umgestürzten Baum blockiert. Eliza stieg ab und schlang die Zügel um einen Ast. Das ist praktisch, dachte sie, dann kann ich nachher zum Aufsitzen auf den Baumstamm klettern.
    Sie ging zur Hütte. Es dauerte ein paar Sekunden, ehe auf ihr Klopfen die Tür geöffnet wurde. Vor ihr stand ein verlotterter, wenig Vertrauen erweckender Mann, den Eliza auf Mitte fünfzig schätzte. Er war unrasiert und ungekämmt; seine ausgebeulte, zerknitterte Hose wurde von schäbigen Hosenträgern gehalten; sein schmuddeliges Hemd war falsch zugeknöpft, und er trug Socken, die nicht zusammenpassten.
    »Mr. Boyd?«, fragte Eliza höflich. Ihre Tante hatte ihr einiges über diesen Mann erzählt und ihr ein paar Ratschläge für den Umgang mit ihm auf den Weg gegeben.
    »W er will das wissen?«, knurrte er misstrauisch.
    »Mein Name ist Eliza Dickens. Ich bin Zeitungsreporterin und arbeite für die Border Watch in Mount Gambier.«
    »Mount Gambier! Und was wollen Sie hier?«, fragte er abweisend.
    Seine schroffe Art brachte Eliza ein wenig aus der Fassung. Als hübsche junge Frau wurde sie normalerweise freundlich behandelt, auch wenn die Leute sie nicht so ernst nahmen wie einen männlichen Kollegen. »Ich möchte über den Tiger berichten. Soviel ich weiß, haben Sie das Tier kürzlich hier in der Gegend gesehen.«
    Mannie rieb sich sein stoppeliges Kinn. »Schon möglich«, antwortete er mit finsterem Blick. »Aber ich hab nichts dazu zu sagen.« Er wollte ihr die Tür vor der Nase zuschlagen, als ein Hund um die Ecke der Hütte gelaufen kam und Eliza böse anbellte.
    »Sei still, Rastus!«, herrschte Mannie ihn an. Der Hund hatte sich seit der unheimlichen Begegnung mit dem Raubtier verändert. Er benahm sich merkwürdig und war unberechenbar geworden. Als Rastus nicht aufhörte zu bellen, bückte sich Mannie, hob einen schlammverkrusteten Stiefel von der Türschwelle auf und schleuderte ihn wutentbrannt nach dem Hund. Der Stiefel traf das Tier am Kopf, Rastus jaulte auf und lief hinters Haus. Eliza war

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