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Im Schatten des Vogels

Im Schatten des Vogels

Titel: Im Schatten des Vogels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anika Lüders
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dass du das nicht hättest sagen sollen. Hörst selbst, wie ungerecht es ist. Du siehst auch, dass die Worte wie ein Schlag ins Gesicht auf ihn wirken, bist aber einfach so wütend.
    «Das ist die einzige Lösung bei Leuten mit Tobsuchtsanfällen», antwortet er und versucht, ruhig zu bleiben. «Und wenn du glaubst, dass das meine Erfindung ist, irrst du dich.»
    Vater ist geknickt, du kennst ihn gut genug, um das zu sehen.
    «Die einzige Lösung!» Du versuchst, ironisch zu klingen, schaffst es aber kaum.
    «Ich habe das so lange wie möglich hinausgezögert. Und sie ist hier drinnen bei uns. Geisteskranke werden oft in andere Gebäude gesteckt, weil sie da weniger stören. Dann sind sie viel isolierter und haben es auch kälter. Nun setz dich, und wir sprechen in Ruhe miteinander.»
    «Tu, was Vater sagt!» Ingi ist in die Wohnstube gekommen. Er ist anders. Ernsthaft, erwachsen.
    «Wir können sie natürlich nach Reykjavík ins Sanatorium schicken, wenn sie dort Platz haben. Willst du das?», fragt Vater. Sein Kopf wackelt. Er sieht so müde aus, dass es dir zu Herzen geht, ihn anzuschauen. Du hast immer zu Mutter gehalten, aber jetzt möchtest du ihn in den Arm nehmen. Siehst, wie sehr er in Bedrängnis ist.
    «Es ist schwierig, jemanden ins Sanatorium zu bringen, die Plätze sind durchgehend belegt», spricht er weiter. «Und sie wegzuschicken ist ohnehin das Letzte, was ich will.»
    Du antwortest nicht. Willst Mutter natürlich nirgendwo hinschicken, willst sie bloß aus dem Verschlag befreien. Ihr esst schweigend. Dann fragst du nach Jón.
    «Er ist bei Einar, konnte nicht länger zu Hause sein», antwortet Ingi knapp.
    Du würdest gerne wissen, weshalb, doch du spürst, dass es unklug wäre, zu fragen.
    Schweigen.
    Du tätschelst Vaters Handrücken. Suchst Versöhnung. Lächelst. Bekommst kein Lächeln zurück. Noch nicht einmal von Ingi, der immer so viel gelacht hat. Prinzessin Anna hat Ringe unter den Augen und ist anders als sonst. Þorgerður kann nicht still auf dem Stuhl sitzen. Sie ist ständig in Bewegung und ihr Gesicht voller Nervosität. Es sieht ganz so aus, als hätte diese Familie verlernt, wie man lacht.
    Ihr Geschwister räumt nach dem Essen ab, und mitten beim Abwasch bricht Anna in Tränen aus. Sie möchte weg, und doch bei Mutter bleiben. Þorgerður starrt uns mit runden Augen an. Du nimmst Anna in den Arm, die schöne Schwester, die immer allen die Schau gestohlen hat. Was ist aus ihr geworden? Du flüsterst, dass es nun an der Zeit für sie sei, zu gehen. Wohin möchte sie denn? Zu Gauja nach Seyðisfjörður, oder vielleicht nach Norwegen? Anna weint nur noch lauter. Zittert vom Scheitel bis zur Fußsohle.
    «Wirst du bei uns bleiben?», fragt Þorgerður und klammert sich an dich. Du nickst, kneifst ihr in die Wange und schluckst den Kloß herunter. Es ist wichtig, ihr das Lachen wieder beizubringen. Ihr und all den anderen.
    Sie erkennt dich nicht, doch dann kommt ein Lächeln auf ihr Gesicht. Das erste Lächeln in diesem Haus.
    «Katrín, bist du das?», fragt sie und streckt ihren Arm suchend durch die Bretter.
    «Ja, Mutter», antwortest du mit dünner Stimme, möchtest noch so viel mehr sagen, kommst aber nicht weiter. Sie hält dich fest, und ihre Knöchel werden weiß.
    «Meine geliebte Katrín! Die ganze Zeit habe ich auf dich gewartet.»
    «Jetzt bin ich bei dir», schaffst du zu flüstern.
    «Und du gehst nie wieder weg?»
    «Nein, Mutter, ich gehe nicht weg von dir.»
    «Aber du weinst doch nicht? Ist irgendetwas?»
    Du ziehst die Nase hoch, lächelst und schüttelst den Kopf. Die alte Mutter, ganz sie selbst! Sie wälzt sich auf die andere Seite und richtet sich halb auf.
    «Ich muss hier raus. Dein Vater sperrt mich immer ein.»
    «Du kommst jetzt auch bald raus.»
    «Er will nicht, dass ich eine Mädchenschule eröffne, und sperrt mich deshalb ein. Könntest du mit Pfarrer Jóhann sprechen und ihn dazu bringen, Englisch zu unterrichten? Und natürlich Religion. Das sollte auch unterrichtet werden, oder?»
    «Ich denke schon», antwortest du, behältst aber für dich, dass Pfarrer Jóhann vor Kurzem gestorben ist und sein Sohn jetzt Pfarrer ist.
    «Nun hilf mir raus. Nimm einfach die Klappe ab, und ich klettere rüber. Und dann machen wir etwas Schönes. Besuchen die anderen Höfe!»
    Du antwortest darauf nicht, richtest ihr aber Grüße von Gunnhildur und Þórarinn aus.
    «Gunnhildur, sagst du? Ist sie immer noch so teuflisch fett?»
    Du kannst nicht anders, als laut

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