Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Schattenwald

Im Schattenwald

Titel: Im Schattenwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Haig
Vom Netzwerk:
Trollmutter!«, sagte er. »Ein echter Sonntagsbraten.«
    Samuel erblickte die drei augenlosen Mitglieder der Trollfamilie, die sich gegenseitig an ihren schmutzigen Kleidern festhielten. Der Hasensack wanderte von Hand zu Hand, bis er schließlich beim Trollvater ankam.
    »Nein!«, rief Samuel, als das Fell über seinen Augen schmerzhaft nach oben gezogen wurde. »Ich bin’s doch! Samuel! Der Junge! Ich habt mich gemocht … habt mir geholfen … mir was zu essen gege…«
    Doch es nutzte nichts. Der Trollvater hätte eigentlich die Angst in seinen Augen erkennen müssen, doch war es die Angst irgendeines Hasen, nicht des Jungen, der damals in ihr Haus gelaufen war.

    »In den Sack mit dir!«
    Samuel flog durch die Luft und war plötzlich von Dunkelheit umgeben.
    »Aaaaah!«
    Er spürte einen grob gewebten Stoff und versuchte, seine Balance zu finden, doch der Sack hüpfte auf dem Rücken des Trollvaters hin und her, während dieser davonstapfte. Schließlich fand er ein gewisses Gleichgewicht. Durch ein kleines Loch sah er in weiter Ferne ein paar Sterne funkeln.
    Die Trolle marschierten weiter, fanden aber keine weiteren Hasen mehr. Samuels Herz hämmerte in seiner Brust, sein Fell juckte vor Angst. Er erinnerte sich an das blutverschmierte Messer, das er gefunden hatte.
    Doch inmitten all der Verzweiflung begann sich noch ein anderes Gefühl in ihm auszubreiten. Das Gefühl, dass sich letztlich alles zu seiner Zufriedenheit regeln würde, was auch immer geschah. Es war das lächerlichste Gefühl, das er jemals verspürt hatte.
    Denn er war doch ein Hase. Er war in einem Sack gefangen und für den Kochtopf bestimmt.
    Doch so wie die fernen Sterne durch das winzige Loch des groben Gewebes schienen, so lebte auch die Hoffnung in ihm weiter. Schließlich hatte er schon die gefährlichen Huldren, den mörderischen Pixie und den lebensbedrohlichen Slemp überlebt. Und das war ihm gelungen, weil er sich stets darauf konzentriert hatte, was wirklich zählte - Martha zu finden.
    Im Geiste sprach er immer wieder den Namen seiner Schwester aus. Nur ihren.
    Martha.
    Bis sein Kopf völlig leer war.

Die Diener des Thubula
    N ach einer unbestimmten Zeitspanne - irgendwo zwischen einer Sekunde und der Ewigkeit - wurde Samuel an seinen Ohren aus dem Sack gezogen und unsanft zu anderen Hasen in ein offenes Gehege geworfen.
    »Das ist ein Irrtum!«, rief er dem Trollvater hinterher. »Ich bin’s! Samuel!«
    Doch der Trollvater hörte ihm nicht zu. Samuel drückte sein Gesicht gegen das Drahtgeflecht und sah, wie der Trollvater seine augenlose Familie durch die halbrunde Tür ins Haus führte. »Nach links, dann rechts … geradeaus … Vorsicht Stufe, Trolltochter! So, da wären wir.«
    Mit der Trollfamilie entschwanden auch seine Hoffnungen. Er drehte sich um und sah zirka dreißig Hasen am anderen Ende des Geheges sitzen.
    Als er zu ihnen hinüberhoppelte, hörte er plötzlich eine tiefe und feierliche Stimme.
    »Oh, Thubula, wir danken dir, dass du unseren Bruder sicher zu unserer Grünen Weide geleitet hast, mit ihrem endlosen Vorrat an Karotten …«
    Der graue alte Hase, der vor den anderen Hasen stand, hielt inne und betrachtete den Neuankömmling. Alle anderen drehten sich um und starrten ihn an.
    »Entschuldigung«, sagte Samuel. »Lassen Sie sich nicht stören.«

    Der alte Hase fuhr mit seiner Ansprache fort. Samuel schloss aus seinen feierlichen Worten und den gebeugten Köpfen, dass es sich um eine religiöse Zeremonie handeln musste, in deren Verlauf der »weise«, »unendlich gütige« und »allwissende Thubula« noch mehrfach Erwähnung fand. Es konnte sich nur um den Gott der Hasen handeln.
    Auch lag es auf der Hand, dass Thubula zu der Sorte von Göttern gehörte, die sich tagein, tagaus anbeten lassen, denn die Zeremonie dauerte bis zum Morgengrauen.
    Samuel schaute an dem altehrwürdigen Hasen vorbei und durch das Drahtgeflecht hindurch. Als er seinen Blick über die Bäume und den erwachenden Himmel schweifen ließ, begriff er, dass ihm vielleicht nur noch ein Tag blieb. Er musste fliehen.
    Er entfernte sich von der Versammlung der anderen Hasen und lief am Zaun entlang. Gestern wäre er mit Leichtigkeit darüber gestiegen, doch heute war der Zaun zehnmal so hoch wie er selbst.
    Er versuchte, seine Vorderläufe zu heben, sich im Drahtgeflecht festzukrallen und nach oben zu ziehen, doch verfing er sich sofort in den Maschen.
    Dann hörte er direkt hinter sich die Stimme des alten Hasen.
    »Mein Name ist

Weitere Kostenlose Bücher