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Im Schloss der schlafenden Vampire

Im Schloss der schlafenden Vampire

Titel: Im Schloss der schlafenden Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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oder muss ich sie Ihnen wegnehmen?“
    „Mir nimmt niemand was weg,
Großmaul.“
    Er wippte das Messer in der
Faust, besann sich aber und schleuderte die Otter ins Gebüsch, wo sie
unbeschadet landete und sofort unter die Farne glitt.
    „Jetzt zufrieden, du
Schlangenbeschützer?“
    „Wir schützen nicht nur
Schlangen, sondern Tiere überhaupt. Der Einstellung sollten Sie sich annähern —
besonders, wenn Sie hier in der Pampa herumdackeln. Und das mit dieser
Bewaffnung! Haben Sie Angst vor Fledermäusen oder ist das Ihr Brotzeitmesser?“
    Der Typ grinste wieder. Ob er
wollte oder nicht — es wirkte hämisch. Dann streifte er einen Handschuh ab,
klemmte ihn in die Achselhöhle und schob einen Finger ins linke Ohr. Dort
bohrte er andächtig. Vielleicht hatte sich eine Zecke eingenistet.
    Die Jungs sahen ihm zu.
    „Haben Sie die Räude?“, fragte
Tim. „Oder verstehen Sie uns schlecht?“
    „Söhnchen, du nervst mich.“ Er
schob das Messer in eine Lederscheide, die ihm am Gürtel hing, aber nicht
außen, sondern innerhalb der Leinenhose. Verdeckt also. Die kurze Windjacke
verbarg den Griff, der tatsächlich aus Hirschhorn war.
    „Solche Bewaffnung macht uns
misstrauisch.“ Tim hatte beschlossen, dem Typ nach ,Großmaul’ und
,Schlangenbeschützer’ auch das ,Söhnchen’ zu verzeihen. Denn vielleicht hatte
der Mann was beobachtet und konnte mit ‘nem Hinweis dienen.
    „Das Messer“, sagte Stechauge,
„begleitet mich seit meiner Jugend. Hab’s geschenkt gekriegt — da war ich noch
jünger als ihr. Immer wenn ich wandere — und ich bin gern in der Natur — hab
ich’s dabei. Manchmal schnitze ich damit. Ich schneide Pilze ab oder bahne mir
einen Weg im Gestrüpp. Aber ein Mann in meinem Alter mit ‘nem Messer am Gürtel
sieht komisch aus. Deshalb trage ich’s unauffällig.“
    Tim nickte. „Einleuchtend.
Übrigens heiße ich nicht Großmaul, sondern Tim. Das sind meine Freunde Karl und
Klößchen.“
    „Ich bin Carlos.“
    „Klingt spanisch.“
    „Ich bin Deutscher.“
    „Mit deutschem Nachnamen?“ Tim
lächelte wie die Unschuld vom Lande. „Wir heißen Carsten, Vierstein und
Sauerlich.“
    Der Mann zögerte kaum merklich
und Tim war nicht sicher, ob er dann seinen wahren Namen nannte.
    „Teckenburg. Carlos
Teckenburg.“
    „Aus dem Dorf sind Sie nicht.
Dort kennen wir nämlich alle“, behauptete Tim dreist.
    „Ich bin mit meinem
Campingwagen da.“
    Tim deutete auf den Boden. „Wir
haben ein Problem. Genau hier hat vorhin unser Onkel seinen Wagen geparkt, einen
grünen SXX. Onkel Andreas wollte auf uns warten. Aber jetzt ist er weg. Haben
Sie den Wagen zufällig gesehen?“
    Teckenburg schüttelte den Kopf.
„Ich war in Richtung See und habe dann abgekürzt durch das Wäldchen. Es gibt
zwar viele Wege. Aber die sind eigentlich nicht befahrbar. Höchstens mit dem
Jeep. Außerdem braucht man eine Erlaubnis.“
    Tim beobachtete ihn. Mimisch
war nichts verdächtig. Offenbar sagte Carlos Teckenburg die Wahrheit. Als
Kidnapper hätte er sicherlich mit der Wimper gezuckt — und vor allem nicht mit
dem Beinahe-Schlangenmord auf sich aufmerksam gemacht. Nein, der Typ war
unbeteiligt. Außerdem hatte er wohl mit seinem Sonnenbrand zu tun. Auf Nase und
Stirn schälte sich die Haut, was allerdings eher selten ist bei einem
dunkelhaarigen Typ wie ihm.
    Vielleicht war er kürzlich am
Äquator, dachte Tim, und hat sich dort mit gefährlichem Sonnenlicht die
Schwarte beschädigt.
    „Na, dann wünsche ich euch,
dass ihr euren Onkel bald findet“, Teckenburg nickte und ging ohne Eile den Weg
entlang Richtung Straße, wobei er die restlichen Profilspuren zertrat.
    „Er hat was verloren.“
    Karl zeigte zu der Stelle, wo
Teckenburg aus dem Gebüsch gekommen war. Zwischen Farnen und Heidelbeerkraut
lag etwas Weißes. Papier. Tim überließ es seinem Freund, den Fund zu bergen.
Offenbar war’s eine gefaltete Wanderkarte ohne die bunten, versteifenden Vor-
und Rückseiten-Pappstücke.
    „Hallo, Herr Teckenburg!“, rief
Karl und lief ihm nach.
    Teckenburg hatte bereits die
Straße erreicht.
    Die Karte in Karls Händen
öffnete sich — nicht ganz von selbst, sondern ein bisschen von Karls Neugier
unterstützt. Ein Blick, noch ein Blick. Zuklappen. Karl erreichte Teckenburg
und übergab ihm die Fundsache.
    „Ah! Danke! Ja, das gehört mir.
Ist mir wohl aus der Tasche gefallen. Danke!“
    „Keine Ursache!“ Karl lief zu
seinen Freunden zurück.
    Tim sah sofort: Karls
Windhundgesicht hinter der

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