Im Schloss der schlafenden Vampire
aber... Was fehlt ihr denn?“
„Sie hatte vor kurzem eine
schwere Lebensmittelvergiftung. Sie muss ein Medikament einnehmen.“
„Das ist doch nichts als ein
blöder Trick, Mann!“
„Nein, es ist wahr! Ich schwöre
es! Kein Trick! Ich will Sie nicht reinlegen. Bettina hatte wirklich eine
schwere Vergiftung und muss das Medikament einnehmen für ihre Leber. Die
Packung mit den Tabletten liegt im Handschuhfach meines Wagens. Da können Sie
doch ran?“
„Klar.“
„Dreimal täglich muss sie eine
Tablette einnehmen — mit etwas Wasser. Heute noch einmal! Bitte, veranlassen
Sie das!“
„Ja, mache ich. Sonst noch
was?“
„Tun Sie ihnen nichts!“
„Wofür hältst du mich! Mir
geht’s um Geld. Wenn du keine Zicken machst, erleben deine Kinder jetzt
lediglich ein Abenteuer. Also, morgen bin ich wieder am Rohr.“
„Darf ich Sie etwas fragen?“,
sagte Heymwacht rasch. „Meinen Namen und meine Adresse, wie?“
„Wollten Sie meine Kinder
entführen — ich meine, war das Ihre ursprüngliche Absicht? Oder ging es Ihnen
nur um den Wagen — und Sie haben erst später gemerkt, das noch wer drin ist.“
„Mann!“, dröhnte Konrad dumpf.
„Ich bin Profi. Ich lebe von Entführung und Lösegeld-Erpressung. Deine Gören
sind mein 18. Fall. Dein Wagen ist nur ‘ne Draufgabe. Den werde ich
wahrscheinlich irgendwo abstellen. Kannst du das Geld bis morgen besorgen?“
„Ich hoffe es“, antwortete
Heymwacht. „Morgen ist Samstag. Aber... Ja, es wird möglich sein.“
Konrad schaltete das Handy aus
ohne ein weiteres Wort.
12. Klößchen
hat Hunger
Im Speiseraum der Jugendherberge
war Betrieb. Zwei Dutzend Gäste hatten sich an langen Tischen niedergelassen.
Klößchen weitete im Vorbeigehen die Nüstern, denn aus der Küche — wo Sigurd
Gastfrey und zwei Frauen hantierten — drang verlockender Duft.
„Fast so schön wie im Internat“,
meinte Klößchen. „Meine Nase unterscheidet gebratenen Fisch mit Beilagen, einen
deftigen Eintopf und verschiedene Wurstsorten. Wann gehen wir zum Essen —
gleich?“
„Erst rufen wir Holger Lützen
an“, verordnete Tim. „Der ist jetzt bei Heymwacht und auf jeden Hinweis
angewiesen. Vorhin dachte ich mir, wir sollten warten, bis wir was Handfestes
haben. Aber jetzt meine ich, auch unsere kleinste Beobachtung kann für den
Kommissar nützlich sein.“
„Na gut“, seufzte Klößchen.
„Wir werden wahrscheinlich dann im Speiseraum antanzen, wenn die andern alles
weggefressen haben. Bleibt uns immer noch ein Dorfgasthaus — ähnliche Kost,
aber nicht so herbergsmäßig-solide und dafür doppelt so teuer. Wenn es um
Atzung geht, Häuptling, sind deine Entscheidungen immer sehr fragwürdig.
Wahrscheinlich bist du deshalb so schlank.“
Tim und Karl grinsten. Zu dritt
betraten sie ihr Vierbettzimmer. Sie hatten erwartet, dass jetzt auch das
letzte Bett belegt sei — wie vom Herbergsvater angekündigt, aber das Etagenbett
über Klößchens Ruhelager war immer noch unbenutzt. Offenbar war der Andrang
nicht so stark wie erwartet.
Tim trat ans Fenster.
Draußen legte sich eine
samtblaue Dämmerung über Dorf Prinzenruh und die umliegende Landschaft.
Vogelgezwitscher überall, das Gebimmel von Kuhglocken irgendwo hinter dem
Campingplatz. Auf den Straßen jetzt etwas mehr Ruhe, denn die meisten
Stadtflüchter saßen am Futternapf.
Der Campingplatz war gesteckt
voll. Jeder Wagen eine Burg — mit Umfeld, das man zum Nachbarn hin abgrenzte:
mit Vorzeit oder wenigstens mit klappbaren Gartenmöbeln.
In diesem Moment bemerkte Tim
einen ,alten’ Bekannten.
Carlos Teckenburg saß vor
seinem Wohnmobil. Es stand im vorderen Bereich. Tim erkannte den Wagen wieder —
hatte nachmittags beobachtet, wie er ankam.
Teckenburg hatte kein Vorzeit,
hockte auf einem dünnbeinigen Gartenstuhl und bohrte sich in einem Ohr, dem
rechten. Jetzt hielt er damit inne und das andere Ohr kam an die Reihe.
Also doch Räude, dachte Tim,
oder chronischer Juckreiz.
Er machte seine Freunde auf
Teckenburg aufmerksam. Karl spähte aus dem Fenster. Klößchen nickte nur und
forschte in den Tiefen seines Rucksacks nach Schokolade. Aber die lag bereits
unterm Kopfkissen.
Sie hatten noch kein Licht im
Zimmer angeknipst. Und Tim trat mit Karls Handy noch dichter ans Fenster, als
er die Heymwacht-Nummer wählte.
Sofort wurde abgenommen.
„Ja?“ Eine gehetzte
Männerstimme.
Das ist der Fabrikant, dachte
Tim. Ihm hängen die Nerven schon ins Hühnerfutter. Muss schrecklich sein
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