Im Schloss des spanischen Grafen
sich geschehen, weil Alejandros wunderbares Lächeln sie völlig verzaubert hatte.
Liebe auf den ersten Blick, hatte sie gedacht, als sie in jener Nacht schlaflos im Bett lag. Sie hatte nie an Liebe auf den ersten Blick geglaubt. Im Gegenteil, sie hatte sich geschworen, keinem Mann je die Macht zu überlassen, die ihr Vater über ihre Mutter ausgeübt hatte. Doch trotz der harten Lektion, die sie in Kindheit und Jugend auf den Knien der Mutter gelernt hatte, reichte ein Blick auf Alejandro Navarro Vasquez, und sie war ihm zu Füßen gesunken wie die sprichwörtliche gefällte Eiche.
Leider hatte sie aber aus den Lektionen, die Alejandro ihr erteilte, offenbar nichts gelernt. Bevor er sie mit seinem Heiratsantrag schockierte, hatte er sie monatelang durch die Hölle geschickt. Er rief nicht wie abgesprochen an, sagte Verabredungen in letzter Minute ab und traf sich mit anderen Frauen, mit denen er sich auch noch fotografieren ließ.
Vor der Hochzeit hatte er ihr Herz und ihren Stolz mit Füßen getreten. Sie hatte es sogar nachvollziehen können. Schließlich war er ein spanischer Graf, während sie für einen Hungerlohn in einem kleinen Hotel arbeitete – in einem Hotel, das seinen Standards nach in die Kategorie „Absteige“ fiel. Von Anfang an hatte er gewusst, dass sie nie sein Level erreichen konnte, und dieses Wissen hatte ihn immer irritiert.
Ein halbes Jahr nach dem Kennenlernen hatte er seine Einstellung jedoch geändert … „Sol y sombra – Sonne und Schatten, querida mía“, hatte er gemurmelt, als er ihre helle mit seiner gebräunten Haut verglich. „Das eine existiert nicht ohne das andere. Wir gehören zusammen.“
Doch zusammen waren wir wie Öl und Wasser – wir konnten uns nicht verbinden, dachte Jemima jetzt mit dem dumpfen Schmerz, mit dem sie hatte leben lernen müssen. Inzwischen war es zwei Uhr nachts geworden. Sie lag im Bett und fand keinen Schlaf. Und morgen würde die neue Blumenlieferung ankommen, was hieß, dass sie früh auf den Beinen sein musste …
Im Laden gab es kaum noch Raum zum Laufen, nachdem Jemima die frischen Schnittblumen in die bereitstehenden großen Kübelvasen gestellt hatte. Die Temperaturen des frischen Frühlingsmorgens und der Kontakt mit den vielen nassen Blumenstängeln hatten ihre Finger taub gemacht. Jemima rieb mit dem Handflächen über ihre Jeans und unterdrückte den Schauer. Ganz gleich, ob Winter oder Sommer, im Laden war es immer kühl. Es war ein altes Gebäude mit unzureichender Isolierung, aber Wärme würde die Blumen auch schneller welken lassen.
Sie ging ins Hinterzimmer und holte sich die alte Strickjacke. Alfie fuhr draußen im Garten mit seinem kleinen Dreirad herum und ahmte lautstark ein Rennauto nach, ungerührt von der Uhrzeit. Ein Lächeln zog auf ihr Gesicht, während sie ihrem Jungen eine Weile zuschaute.
„Jemima …“
Sie hatte gehofft, diese Stimme nie wieder hören zu müssen. Tief, voll, melodisch und so männlich sexy, dass ihr unwillkürlich ein Prickeln über den Rücken lief. Sie kniff die Augen zusammen und weigerte sich, sich umzudrehen. Sagte sich, dass ihr die Fantasie nur einen gefährlichen Streich spielte, der sie in die Vergangenheit zurückzerren wollte und ihr Bilder vorgaukelte – von Alejandro. Wie sie morgens zusammen aufwachten, er mit vom Schlaf wirrem Haar und Bartstoppeln auf den Wangen. Von Alejandro, der allein mit einem Blick unter halb gesenkten schwarzen Wimpern hervor das Feuer in ihr anfachen konnte.
Doch bevor das laszive Bild ihren Verstand zu vernebeln und ihr den Atem zu rauben drohte, tauchte die nächste Erinnerung auf: die ungeplante Schwangerschaft, die leere Bettseite neben sich und die Einsamkeit, als Alejandros Interesse an ihrem rapide runder werdenden Körper völlig schwand. Ein Schauder überlief Jemima, sie drehte sich um.
Und dort stand er. Alejandro Navarro Vasquez, ihr Ehemann. Der Mann, der sie gelehrt hatte, ihn zu lieben und zu brauchen und sich dann wegen ihrer Unzulänglichkeiten von ihr zurückgezogen hatte. Er sah überwältigend gut aus, elegant in dem maßgeschneiderten dunklen Anzug und den glänzenden handgefertigten Schuhen. Aber er hatte ja immer makellos ausgesehen … außer im Bett, wenn sie mit den Fingern durch sein Haar gewühlt und es voller Leidenschaft zerzaust hatte. Am liebsten hätte sie losgeschrien – geschrien wegen der Erinnerungen, die sie nicht in Ruhe ließen und sie aus dem Gleichgewicht bringen wollten.
Doch mehr als ein
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