Im schoenen Monat Mai
das Holz lagert, schau ich hinauf. Ich hab die Scheune gern, weil man von ihrem Dach den Weg sieht, der von weither kommt. Am Samstag bin ich immer da oben gesessen, manchmal stundenlang, manchmal den ganzen Tag. Manchmal bin ich sogar so lange auf dem Dach gesessen, dass Monsieur Louis gekommen ist und mich bei den Eiern gepackt hat, wie er gesagt hat, wegen der Trödelei und den ganzen Sachen, die zu tun sind auf so einem großen Gut. Der beste Moment war nicht der, wo ich sie gesehen habe, weil das ist viel zu viel, sie in echt sehen und von ihr umarmt werden, vom Küssen ganz zu schweigen. Nein, der beste Moment war davor. Wenn ich auf dem Dach gesessen bin und den Motor gehört habe, den ich aus allen anderen Motoren herauskenne, weil es der von Abdallahs weißblauem Wagen ist. Ich habe die Augen zugelassen, bis sie so gebrannt haben, als ob ich gleich weinen muss, vor lauter Angst, dass ich mich womöglich geirrt habe. Wenn ich es nicht mehr ausgehalten habe, hab ich die Augen aufgemacht, und ja, ich habe mich nicht getäuscht, es ist wirklich Abdallahs Wagen. Dann ist alles gut gewesen, weil nichts Trauriges mehr hat passieren können. Der Wagen ist den Weg entlanggefahren, der sich im Wald zwischen den Bäumen durchschlängelt, da habe ich sie mal gesehen und mal nicht, weil eine Kurve da war, aber ich habe keine Angst mehr gehabt, weil ich nämlich auswendig weiß, wo sie verschwindet und wo sie wieder auftauchen wird, und im Kopf hab ich die Kurven mitgezählt. Am Ende ist der Wagen ganz langsam durch das schöne Eisentor von Monsieur Louis gefahren und neben dem Gemüsegarten stehengeblieben, wo ich von oben die weißblaue Motorhaube hab sehen können. Abdallah ist immer gleich ausgestiegen und um den Wagen herumgegangen, damit er Lucette die Tür aufhält, weil Abdallah ist halt höflich und, wie Monsieur Louis immer gesagt hat, total verknallt, aber meistens hat Lucette die schon selber aufgemacht, sie hat nämlich was gegen Galanterie und sagt, dass man im Leben aufpassen muss bei kleinen Geschenken, dass einem dafür nicht die Freiheit geklaut wird. Lucette hat so gut gerochen, sogar bis herauf aufs Dach. Samstags hat sie immer ein Tupfentuch um den Kopf gebunden, weil sie so schwärmt für die Schauspielerinnen aus den Fünfzigerjahren und genauso sein will wie sie, und ihre Kleider hat sie mit einer Eleganz getragen, dass man die ordinären Sachen, die sie unter der Woche für ihren Beruf angehabt hat, ganz vergessen hat. Ich hab mich gefreut wie verrückt und mich gar nicht rühren können vor Freude, und Lucette hat die ganze Zeit neben dem Wagen auf mich gewartet, wie ich da gesessen bin mit abgeklemmten Beinen und sie angeschaut habe und immer weniger Luft gekriegt habe, je näher ich ihren Küssen war. Ihre Küsse – das kann ich euch nicht erklären, und um ihre Küsse ist es von den ganzen Sachen, die ich euch nicht erklären kann, weil ich halt nicht erzählen kann, besonders schade. Ich habe keinen Vergleich, weil das meine einzigen waren, aber in so was Kleines so viel Freude legen, das würde mich wundern, wenn das sonst noch wer kann.
Das Problem ist, dass in der Scheune keine Scheite lagern, sondern halbe Stämme, also ich fange an zu hacken und spüre, dass mein Rücken das nicht mitmachen will, jetzt, in der falschen Jahreszeit. Das ist was für September, nicht für Mai. Außerdem kann ich Holzhacken nicht leiden. Das sehen die Hirnschüssler gar nicht. Herr Truchon wünscht Feuer im Kamin, wie wenn das kein Umstand ist! Der geniert sich für nichts. Genau wie seine Paulette. Schönes Paar das. Wenn das Vulgäre einen Namen hätte, würde es Truchon heißen. Vulgär ist, wenn sich wer so offensichtlich anstrengt für die Schönheit, dass man am Ende nur die Anstrengung sieht, aber keine Schönheit, sagt Lucette. Deswegen springen einen bei Paulette als Erstes die Brüste an, die viel zu groß sind, die roten Lippen, die viel zu rot sind, und die Dauerwellen, die viel zu wellig sind. Das Vulgäre gibt es nicht nur bei der Schönheit, sondern auch bei der Gesellschaft. Zum Beispiel wollen die Truchons in der Gesellschaft ganz nach oben, trotzdem sie von den Eltern her eigentlich Bauern sind. Dafür haben sie ein rotes Auto, über das ich nicht weiter reden will, und ein türkises Schwimmbad, das aussieht wie eine Bohne, obwohl die Sonne gar nie rauskommt dort in der Gegend, wo sie wohnen, nämlich in der Pikardie, wo auch der Wachtmeister wohnt, wenn ihr versteht, was ich meine. Aber
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