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Im schoenen Monat Mai

Im schoenen Monat Mai

Titel: Im schoenen Monat Mai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile de Turckheim
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das versteht ihr bestimmt nicht.
    Ich bin in die Schweinescheune gegangen, schauen, was dort passiert, aber es ist nichts passiert, weil die sind wie wir und schlafen in der Nacht, nur dass sie es schöner haben, weil sie nah beieinander liegen und sich gegenseitig wärmen. Und das tun sie ganz ohne Gewese und ohne dass sie sich über die drangvolle Enge entrüsten. So Wörter wie Gewese, drangvolle Enge oder entrüsten hat Lucette von ihrem Vater gelernt, einem Witwer mit guten Manieren aus einem guten Milieu, wo alle Sätze lang und schön sind und voller Gewese und drangvoller Enge, dass die Leute aus einem anderen Milieu es gar nicht verstehen können. Dank diesem Milieu kennt Lucette die ganzen Wörter, und ich kenne dank Lucette die ganzen Wörter aus dem guten Milieu. Lucette hat mir auch erklärt, was entrüsten heißt, nämlich wenn man genug Selbstliebe hat, dass man auf die Schweine spuckt, die einem ohne Vorwarnung an den Hintern greifen und nicht dafür zahlen. Was Selbstliebe heißt, habe ich euch schon erklärt, und ich will mich nicht wiederholen. Drangvolle Enge ist, wenn man gern mehr Platz hätte, aber das nicht geht. Zum Beispiel, hat Lucette mir erklärt, ihr Beruf ist die Quintessenz der drangvollen Enge, aber Quintessenz ist eins von den Wörtern, die sie mir nicht erklärt hat, und jetzt ist es zu spät. Wenn ich sage, es ist zu spät, dann meine ich nicht, dass ich zu alt bin, um noch neue Wörter zu lernen, sondern dass Lucette tot ist. Seit sie so ist, nämlich tot, und weil ich nicht anders kann, bin ich so wie sie, nur lebendig, und das ist viel schlimmer. Ich habe lange den Schweinen zugeschaut und Lust drauf gehabt, was zu machen, und das hab ich dann auch gemacht. Ich hab mich zwischen zwei Schweine gelegt, die nicht so ganz aneinandergeklebt sind, und Tränen in den Augen gehabt. Das waren fast Freudentränen, warum, erkläre ich euch später.
    Weil ich zwischen den Schweinefüßen so viel Zeit verloren habe, bin ich mit den Scheiten im Arm durch den schwarzen Matsch gerannt. Wie ich den Salon betrete, hockt Martial mit Katze Njama auf dem Sessel von Monsieur Louis. W-w-w-wo … w-w-w-arst … d-d-du? fragt er mich und stottert dabei, wie ihr bestimmt gemerkt habt. Ich sag, hab ich dir nicht gesagt, dass du im Bett bleiben sollst, Martial! Dann fängt er an, von vorn nach hinten zu schaukeln, und ich, der ihn auswendig kennt, als wenn er von mir ist, ich kann euch sagen, er hat eine Heidenangst.
    »W-w-w-wa ...«
    Warum was? frag ich Martial, der Warum sagen will, aber immer mehr stottert, wenn er sich ärgert.
    »Wa-warum liegt s-s-s-sie auf d-d-d-dem Bo-Boden?«
    »Sie liegt auf dem Boboden, weil sie totot ist«, sag ich. Martial fängt an zu grunzen, wie er das manchmal macht seit dem Unfall. Der grunzt noch schlimmer wie die Schweine, wenn wir sie hinter die Scheune bringen, um sie mit dem Messer ihr könnt euch schon denken, was. Sogar der Wachtmeister, der als Polizist im Ruhestand ja auch die ganzen schrecklichen Sachen gesehen hat, die Polizisten so sehen, schaut Martial an, wie wenn der eine Gabel in seinem Ohr stecken hat, also so, wie wenn er es nicht mehr aushält. Martial hat sich zu seiner ganzen Größe aufgerichtet, ich kann euch gar nicht sagen, wie groß das ist, weil er sich nie messen lässt, und so steht er neben dem Wachtmeister und schlägt sich selbst mit der Faust, was sehr schlecht für die Gesundheit ist, das hab ich ihm auch schon erklärt. Hör sofort auf mit dem Schlagen, Martial! Aber er macht weiter. Njama kriegt Angst, Martial! Ich habe nicht sagen wollen, der Wachtmeister kriegt Angst, weil sonst ist ihm das peinlich, so bin ich auf die Idee gekommen und hab dem Kater die Angst aufs Fell gedrückt. Martial macht immer noch weiter. Wenn Monsieur Louis dich sehen könnte, Martial ...! Da hört er auf mit dem Schlagen und geht, bevor ich mit meinem Satz zu Ende bin, mit seinem Hinkebein und seinem Gesicht zum Leute-Erschrecken. Er hat Sie hoffentlich nicht zu sehr belästigt, sage ich zum Wachtmeister, der seine Kiefer zusammenpresst, und zu Sacha Milou, der ganz schnell den Rücken von seinem Hund streichelt. Den muss man doch irgendwo unterbringen! schreit der dicke Sacha, wie wenn es pressiert. Er ist doch hier untergebracht, sage ich. In einem Irrenhaus, schreit Sacha, wo man gefährliche Irre einsperrt! Ich weiß, dass man Martial nicht irgendwo unterbringen kann, weil er nämlich kein Teller ist, sondern ein Mensch, und weil man Menschen so gut

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