Im Schutz der Schatten: Roman (German Edition)
Dach drang, zentimeterhoch. Auf der gegenüberliegenden Seite befand sich ein größeres Tor. Der uniformierte Kollege öffnete es, wieder ohne ein Quietschen. Er deutete auf die Straße.
»Manufakturgatan«, sagte er.
»Waren die Türen abgeschlossen?«, fragte Irene.
»Offen. Der Schlüssel steckte im Schloss dieser Tür. Ein Schlüssel für beide Schlösser. Beide recht neu.«
»Jemand hat sich die Mühe gemacht, einen smarten Notausgang durch die Hintertür einzurichten. Oder einen diskreten Zugang. Vermutlich verschwanden der oder die Mörder auf diesem Weg«, sagte Fredrik.
»Vielleicht hat ja der Gothia MC die neuen Schlösser einbauen lassen?«, meinte Irene.
»Möglich. Wir müssen sie fragen. Und dann müssen wir sie auch noch fragen, ob sie möglicherweise ein Mitglied namens Patrik Karlsson vermissen«, erwiderte Fredrik.
Den Boss des Gothia MC , Per »The Champ« Lindström, ausfindig zu machen, erwies sich als einfacher, als sie geglaubt hatten, denn dieser befand sich sicher hinter Schloss und Riegel. Er saß im Polizeipräsidium in Untersuchungshaft. Der diensthabende Kollege meinte mit einem breiten Grinsen, Per Lindström befände sich dort bereits seit dem Vortag, 22.25 Uhr. Sein Stellvertreter Jorma Kinnunen und er waren bei einer normalen Verkehrskontrolle auf dem Gråbovägen südwestlich von Olofstorp angehalten worden. Der nagelneue BMW sei dadurch aufgefallen, dass er die vorgeschriebene Geschwindigkeit um 43 Stundenkilometer überschritten habe. Und als die Beamten dann gesehen hätten, wer in dem Auto saß, habe ihr Interesse natürlich noch weiter zugenommen.
Per Lindström saß am Steuer. Die Polizisten zogen ihre Waffen und forderten beide Männer dazu auf, mit erhobenen Händen auszusteigen. Diese kamen der Aufforderung widerwillig nach. Dabei bestand Per Lindström die ganze Zeit laut und deutlich darauf, dass er sich von der Polizei schikaniert fühle. Bei der Leibesvisitation fiel den Beamten auf, dass beide Männer kugelsichere Westen trugen. Außerdem fand sich bei näherer Überprüfung des Fahrzeugs eine kleinere Maschinenpistole, die wie eine selbstgebaute Uzi aussah. Das Magazin, das 25 statt der bei einer Uzi üblichen 32 Patronen fasste, war voll. Bei den Patronen handelte es sich – wie bei der aus der Fabrik stammenden Waffe – um das Kaliber 9 x 19 mm Parabellum. Natürlich bestritten beide Männer, etwas von der Waffe zu wissen. Sie konnten sich angeblich nicht erklären, wie die Maschinenpistole unter den Beifahrersitz geraten war. Beide behaupteten, jemand müsse sie in dem Wagen deponiert haben, um ihnen etwas anzuhängen. Außerdem sei das auch gar nicht ihr Auto, hatten sie behauptet. Das allerdings erwies sich tatsächlich als wahr. Bei Überprüfung des Nummernschilds stellten die Kollegen fest, dass es falsch war. Die Fahrgestellnummer passte auf ein Fahrzeug, das seit dem frühen Abend in Kungshöjd im Zentrum von Göteborg gestohlen gemeldet war.
Als man Per Lindström aufforderte, in den Alkoholmesser zu blasen, weigerte er sich. Doch nachdem man ihn und Kinnunen ins Untersuchungsgefängnis gebracht hatte, wurde ihm dort eine Blutprobe entnommen. Die Beamten hatten seine Fahne bemerkt und hofften nun, ihn nicht nur wegen Überschreitung der Geschwindigkeitsbegrenzung, sondern auch wegen Alkohol am Steuer dranzukriegen. Illegalen Waffenbesitz würde man ihm natürlich auch vorwerfen.
»Im Register steht vermerkt, Patrik Karlsson fehlen zwei Finger der linken Hand. Ein Unfall mit einem Feuerwerkskörper vor zehn Jahren. Ich habe bei der Gerichtsmedizin nachgefragt. Sie sagen, dass dem Leichnam ebenfalls zwei Finger fehlen. Alles spricht also dafür, dass es sich hier wirklich um Patrik Karlsson handelt«, meinte Fredrik.
»Schon seltsam. Er war Mitglied des Gothia MC und wurde in dessen alten Vereinshaus getötet. Nehmen wir also an, es handelte sich um eine interne Angelegenheit, wieso hat der Gothia MC dann nicht zugesehen, ihn so weit wie möglich von dem eigenen Terrain wegzuschaffen?«, fragte Irene.
Sie mussten warten, bis es 13 Uhr wurde, bevor sie sich mit Per Lindström unterhalten konnten. Währenddessen berichtete Fredrik, dass Per Lindström und Jorma Kinnunen sich im Gefängnis kennengelernt hatten. Als Kinnunen einige Monate nach Lindström entlassen worden war, hatte der kurz zuvor auserkorene Bandenchef dafür gesorgt, dass dieser in den inneren Kreis aufgenommen worden war. Bereits von Anfang an galt Kinnunen als Lindströms rechte
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