Im Sog der Angst
Haftbefe...«<
»Wie lautet die Anklage?«, fragte Wimmer.
»Ankla- gen «, sagte Milo. »Verschiedene Anklagen wegen Mordes, Versicherungsbetrugs. Noch ein paar Punkte. Ihr Mandant sollte …«
Gulls Augen blitzten vor Wut. »Wovon zum Teufel reden Sie...«<
Wimmer sagte: »Ich nehme das in die Hand, Franco.« An Milo gewandt: »Geben Sie mir das.«
Milo gab ihr die Urkunde. Er war auf der Suche nach einem Staatsanwalt, der bereit war, den Haftbefehl auszustellen, durch das Büro des Bezirksstaatsanwalts gelaufen. Gulls Fingerabdrücke in Mary Lou Koppels Haus hatten ebenso wenig geschadet wie ein Anruf vom State Fraud Investigator Dwight Zevonsky. Das Tüpfelchen auf dem i war eine Flasche fünfundzwanzig Jahre alter Glenlivet gewesen, die er einem abgebrühten sechzigjährigen stellvertretenden Bezirksstaatsanwalt namens Eben Marovitch in die Hand gedrückt hatte. Marovitch, den seine Frau wegen eines Psychiaters verlassen hatte, stand zwei Monate vor seiner Pensionierung.
»Bist du stolz auf mich?«, hatte Milo gefragt, als wir in den Aufzug zu Wimmers Büro stiegen. »Angewandte Psychologie und so.«
Während Wimmer die Details des Haftbefehls las, wich Franco Gull vor Milo mit dem Rücken zum Glas weiter zurück. Hinter ihm waren ein herrlich blauer Himmel und die kupferfarbenen Umrisse von Downtown zu sehen. Dann stand er bewegungslos da wie eine Skulptur. Eine lebensgroße Skulptur. Kalifornischer Schrecken mit Panoramablick.
Wimmer beendete die Lektüre, kehrte zur ersten Seite zurück und begann von vorn. Ihr Mund war angespannt.
»Was, was?«, wollte Franco Gull wissen.
Keine Antwort.
»Myrna...«<
»Psst, lassen Sie mich zu Ende lesen.«
»Was zu Ende lesen? Das ist lächerlich, das ist -«
Wimmer brachte ihn mit einem Handkantenschlag durch die Luft zum Schweigen, beendete auch die zweite Durchsicht und faltete den Haftbefehl wieder zusammen. »Es ist offenkundig lächerlich, Franco, aber allem Anschein nach rechtsgültig.«
»Was bedeutet das Myrna? Was bedeutet das, verdammte Scheiße?« Das Taschentuch wurde von seiner Hand fest zusammengepresst, und seine Fingerknöchel waren weiße Knöpfe. Schweiß rann von seinem Haaransatz herunter, aber er machte keinen Versuch, ihn abzutupfen. »Myrna?«
Milo zog seine Handschellen hervor. Der metallische Klang ließ Gull zusammenzucken.
Myrna Wimmer sagte: »Oh, bitte.«
Milo sagte: »Sie haben die Anklagepunkte gelesen.«
Gull sagte: »Myrna...«<
Wimmer sagte: »Es bedeutet, Franco, dass Sie mit ihnen gehen müssen.« Missfallen in ihrer Stimme. Als ob Gull sie enttäuscht hätte. »Wo werden Sie ihn einbuchten, Lieutenant?«
»Mit diesen Anklagepunkten?«, erwiderte Milo. »Wird es das Zentralgefängnis sein müssen.«
»Gefängnis? Oh Gott, nein«, sagte Gull.
Wimmer lächelte Milo an. »Könnten Sie mir einen Gefallen tun und ihn nach West L.A. bringen? Mir die Fahrt ersparen?«
»Einbuchten?« , sagte Gull. »Myrna, wie können Sie nur …«
»Kann ich leider nicht, Frau Anwältin«, sagte Milo.
Wimmer verzog mürrisch das Gesicht.
Gulls Augen hatten sich mit Tränen gefüllt. »Myrna, das kann doch alles nicht wahr sein.«
»Hat Ihre Frau Zugang zu Ihren Finanzen?«, fragte sie. »Falls ja, rufe ich sie an, und wir werden einen Antrag auf Kaution vorbereiten. Falls nein...«<
»Kaution? Myrna, das ist Schwachsinn ...«<
»Ist das eine offizielle Diagnose, Dr. Gull?«, fragte Milo.
»Bitte« , sagte Gull, der noch ein wenig zurückwich, bis er mit dem Rücken das Glas berührte. »Sie wissen nicht, was Sie tun, ich habe nichts von dem getan, was Sie mir vorwerfen. Bitte.« Er holte Luft. »Bitte.«
»Drehen Sie sich um und legen Sie die Händ auf Ms. Wimmers Schreibtisch, Dr. Gull«, sagte Milo. »Falls Sie irgendwelche Waffen oder illegale Substanzen mit sich führen, wäre jetzt der geeignete Zeitpunkt, es mir zu sagen.«
»Mord?«, rief Gull. »Wovon zum Teufel reden Sie? Mord? Sind Sie wahnsinnig ?« Er öffnete die Hand, und das Taschentuch flatterte auf den Teppich. Als er es zu Boden fallen sah, gaben seine Knie unter ihm nach, aber er schaffte es, aufrecht stehen zu bleiben.
Myrna Wimmer sagte: »Beruhigen Sie sich, Franc-«
»Beruhigen? Sie haben leicht reden, Sie sind nicht diejenige...«<
»Als Ihre Anwältin, Franco, rate ich Ihnen, kein weiteres Wort...«<
»Ich sage doch nur, dass ich nie etwas getan habe. Was ist falsch daran zu sagen, dass ich nie etwas getan habe?«
»Die Hände auf den Schreibtisch,
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