Im Sog der Angst
wütend und fasziniert zugleich aus.
Franco Gull bewegte sich nicht und schwieg.
Ich sagte: »Zwei Jahre in der Minor League, und alle dort haben nur Gutes von Ihnen zu berichten. Zu dumm, diese Geschichte mit dem Achillessehnenriss.«
Gull erwiderte: »So was kann passieren.« Und fing an zu schwitzen.
»Das Gleiche gilt für Berkeley«, sagte ich. »Wir wissen beide, wie schwer es ist, dort einen Studienplatz zu bekommen, aber Sie standen ganz oben bei ihnen auf der Liste. Als Jungakademiker haben Sie weiterhin gute Arbeit geleistet. Ihr Doktorvater, Professor Albright, kommt allmählich in die Jahre, aber sein Gedächtnis ist ziemlich gut. Er erzählte mir, Sie hätten hart gearbeitet, Ihre Forschungsergebnisse seien substanziell gewesen, Sie wüssten wirklich, wie man sich auf das Lösen von Problemen konzentriert. Er hoffte, Sie hätten die akademische Laufbahn eingeschlagen - aber das ist eine andere Geschichte.«
Gull wischte sich den Hals ab.
Ich sagte: »Dann wären da noch Ihre guten Taten. Zusätzlich zu all den verlangten klinischen Stunden für Ihre Promotion haben Sie ehrenamtliche Arbeit in einem Heim für missbrauchte Kinder geleistet. In demselben Jahr haben Sie Ihre Dissertation geschrieben. Das ist beeindruckend. Wie haben Sie die Zeit dafür gefunden?«
»Man macht seinen Job«, sagte Gull.
»Sie haben mehr als Ihren Job gemacht, Franco. Eine Menge mehr. Und Ihre Forschungsarbeit - ›Reaktionen entwicklungsgestörter Mädchen aus geschiedenen Ehen auf eine Beeinträchtigung ihrer Privatsphäre‹. Man hat die Arbeit in Clinical and Consulting Psych publiziert, keine schlechte Leistung für einen Studenten. Nach Ihrem Examen haben Sie es nicht mehr weiterverfolgt. Schade. Ihre Ergebnisse waren kontrovers.«
Gull sagte: »Schnee von gestern.« Er schlug die Beine übereinander, schenkte Wimmer ein forciertes Lächeln. »Hat das irgendeinen Sinn, Myrna?«
Wimmer berührte ihre Platinuhr und zuckte mit den Achseln.
Ich sagte: »Ihre Mentorin im Anschluss an die Promotion, Dr. Ryan, hat Sie ebenfalls als intelligent und fleißig in Erinnerung. In dem gesamten Jahr sind Sie nie auch nur in die Nähe eines Verstoßes gegen die Standesrichtlinien gekommen. Das Merkwürdige ist, dass sie sich daran erinnert, wie außergewöhnlich respektvoll Sie Frauen gegenüber waren.«
Gulls Lippen wurden schmal.
Ich schwieg.
Er sagte: »Das bin ich noch immer.«
Ich sagte: »In dem Jahr Ihres Examens waren an den Universitäten die Stellen knapp, und die Angebote, die Sie erhielten, betrafen alle den Mittleren Westen. Haben Sie sich deshalb dafür entschieden, eine Privatpraxis aufzumachen?«
Gull sagte: »Waren Sie mal in Kansas?« Er nahm das Taschentuch in die andere Hand. »Als ich Examen machte, war ich hoch verschuldet. Niemand hat mir irgendwas umsonst gegeben.«
»Sie brauchen sich nicht dafür zu entschuldigen, dass Sie sich als Arzt niedergelassen haben«, erwiderte ich. »Wer sagt denn, dass Akademiker so viel für die Gesellschaft tun?«
»Das stimmt.«
»Nehmen Sie zum Beispiel Albin Larsen. Akademische Positionen auf zwei Kontinenten, reist durch die ganze Welt, propagiert Ideale. Aber wir beide wissen, woher der Großteil seines Geldes stammt.«
»Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden«, entgegnete Gull.
Ich sagte. »Okay, dann eben zurück zu dieser Sache mit Ihnen und den Frauen. Die Promiskuität - die zwanghafte Schürzenjägerei. Wann genau hat das angefangen, Franco? Haben Sie Dr. Ryan an der Nase herumführen können, oder war es etwas, auf das Sie angesprungen sind, als Sie begriffen haben, wie viel Macht Sie als Therapeut hatten?«
Gull wurde rot. »Sie können mich mal«, erwiderte er und ballte seine großen Finger um das Taschentuch. »Myrna, machen wir Schluss hiermit.«
»Absolut«, sagte Wimmer. »Meine Herren, wir sind fertig.«
»Kein Problem«, sagte Milo freundlich.
»Das war mehr als unhöflich«, sagte Gull und stand auf.
»Das war es definitiv«, sagte Wimmer.
Wir blieben sitzen.
Sie sagte: »Meine Herren, ich habe einen vollen Terminkalender.«
»Ich verstehe, Ma’am«, erwiderte Milo. Er stand auf und zog einige gefaltete weiße Papiere aus seiner Tasche. »Ich werde diesen Haftbefehl gegen Dr. Gull so schnell wie möglich vollstrecken.«
Gull hatte sich an dem Kragen seines Pullovers zu schaffen gemacht. Seine Hand fiel nach unten, als wäre sie verbrüht worden, und sein Kopf fuhr herum. »Was?!«
Milo ging auf ihn zu. »Dr. Gull, dies ist ein
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