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Im Sog der Angst

Im Sog der Angst

Titel: Im Sog der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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einsetzen können. Vorausgesetzt, du siehst in ihm immer noch das schwächste Glied.«
    »Falls du jemanden unter Druck setzen willst, wäre er meine Wahl.«
    »Ich will unbedingt jemanden unter Druck setzen«, sagte er. »Noch ein paar Dinge. Die von Christina Marsh angegebene Adresse ist eine Postfachagentur, große Überraschung. Sie hat das Fach nur für zwei Monate gemietet, und der Angestellte erinnert sich nicht an sie. Hast du heute Morgen schon in die Zeitung geschaut?«
    »Noch nicht.«
    »Sie haben tatsächlich das Foto gebracht. Unten auf Seite zweiunddreißig, zusammen mit drei Sätzen, in denen jeder, der sie kennt, gebeten wird, mich anzurufen. Bis jetzt kein Anruf. Was die Quick-Familie betrifft, da habe ich Schwester Kelly aufgespürt. Sie ist in Boston geblieben, um bei einer Anwaltskanzlei zu arbeiten. Aber sie hat ganz plötzlich Urlaub genommen, angeblich wegen einer kranken Großmutter in Michigan.«
    »Du glaubst, sie könnte sich ein ganzes Stück westlich von Michigan befinden.«
    »Ich habe bei ihnen angerufen, ohne Erfolg, und Eileen Paxton eine Nachricht hinterlassen, falls sie noch einmal schwesterliche Anwandlungen bekommt. Wie wäre es, wenn wir uns träfen, lieber früher als später, um über Franco Gull zu plaudern? Ich habe ein paar Ideen zur hohen Kunst gesellschaftlicher Druckmittel.«

38
    Franco Gull hatte einen Strafverteidiger namens Armand Moss mit seiner Vertretung beauftragt. Moss hatte den Auftrag an eine Kollegin weitergereicht, eine umwerfende Brünette von etwa vierzig Jahren namens Myrna Wimmer.
    Das Treffen fand in Wimmers Büro statt, einem verglasten Raum im obersten Stock eines Bürogebäudes am Wilshire in der Nähe der Barrington. Es war ein herrlicher Tag, und die Fenster erfüllten ihren Zweck.
    Myrna Wimmer trug einen burgunderroten Hosenanzug und hatte eine Haut wie Elfenbein. Ihre geschickt gesträhnten, glänzenden Haare hatten einen spitz zulaufenden Schnitt. Ein juristisches Examenszeugnis von Yale war ausgestellt wie eine Ikone. Die Fotos auf ihrem Sideboard verrieten, dass sie einen Mann hatte, der sie vergötterte, und fünf tolle Kinder. Sie bewegte sich wie eine Tänzerin und begrüßte uns herzlich. Schräg stehende graue Augen unter raffiniert geformten Augenbrauen hätten Farbe zum Schmelzen bringen können.
    »Der Ordnung halber«, sagte sie, »Dr. Gull ist aus freiem Willen hier und nicht verpflichtet, irgendwelche Fragen zu beantworten, geschweige denn solche, die unangemessen sind.«
    »Jawohl, Ma’am«, erwiderte Milo, »ganz wie Sie wünschen.«
    Wimmer betrachtete ihn amüsiert und wandte sich Gull zu, der in einem Clubsessel neben der längsten Glaswand saß, die Füße fest auf dem Teppich, und erschöpft und dünner wirkte. Der Sessel ruhte auf Rollen, und Gulls Bewegungen ließen ihn erzittern.
    Er trug einen schwarzen Anzug mit weißem Stehkragenpullover und Slipper aus bordeauxrotem Kalbsleder. Kleine rote Uhren auf seinen schwarzen Socken. Ein gefaltetes Leinentaschentuch wurde von einer großen Hand zusammengedrückt. Noch schwitzte er nicht, aber er war darauf vorbereitet. Vielleicht hatte auch seine Anwältin das Taschentuch bereitgelegt.
    Milo nahm den Sessel, der am weitesten von Gull entfernt stand. Ich setzte mich in seine Nähe.
    »Guten Morgen«, sagte ich. Es war elf Uhr, und das Panorama vor Myrna Wimmers Glaswänden verdiente ernsthafte Meditation. Das war allerdings der letzte Grund, weshalb ich hier war, in meinem besten dunkelblauen Anzug, einem weißen Nadelkragenhemd mit Manschettenknöpfen und einer goldenen Jacquardkrawatte. Das letzte Mal, als ich mich so in Schale geworfen hatte, war ich für einen Anwalt gehalten worden. Die Opfer, die wir dem Allgemeinwohl bringen.
    Seitdem das Foto von Christina Marsh in der Zeitung erschienen war, waren zwei Tage vergangen. Zwei Schizophrene hatten bei Milo angerufen, beide mit merkwürdig ähnlichen Geschichten über eine Entführung durch Außerirdische, beide sicher, dass Christina in Wirklichkeit von der Venus stammte. Eine kleine Abwechslung, die Milo angesichts seines Stundenplans bitter nötig hatte.
    An zwei Abenden war der Versuch, Raymond Degussa zu beschatten, fehlgeschlagen, weil er seinen Job als Rausschmeißer vor einem Club nicht angetreten hatte. Eine Überprüfung der Adresse, unter der er zuletzt gemeldet war, ergab, dass sie seit achtzehn Monaten nicht mehr zutraf, und jetzt gab es noch mehr, wonach Milo suchen musste.
    Bevor wir zu Myrna Wimmers Büro

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