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Im Sog der Angst

Im Sog der Angst

Titel: Im Sog der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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war immer im beiderseitigen Einvernehmen. Der blöde Junge fand es heraus und bekam einen Anfall und sagte, er hätte kein Vertrauen mehr zu mir und wollte mich als Therapeuten feuern. Dann drohte er mir damit, mich anzuzeigen. Ausgerechnet er.«
    »Was meinen Sie damit?«, fragte ich.
    »Er war aus dem Grund in Behandlung, weil er mit seinen sexuellen Problemen zurande kommen sollte. Er war ein Stalker. Was hatte er für einen Grund, selbstgerecht zu werden?«
    »Sie verstehen nicht, wie er annehmen konnte, dass Sie nicht der ideale Therapeut wären, Franco?«
    »Das verstehe ich, das verstehe ich«, sagte Gull. »Es hätte nicht passieren dürfen, aber es ist passiert. Aber er hat herumgeschnüffelt, es war nicht so, als hätte ich damit geprahlt oder etwas in der Art. Der springende Punkt ist, der Junge hatte einen Gehirnschaden, seine Geistesfunktion war verzerrt.«
    »Er dachte nicht logisch«, übersetzte ich für Milo.
    »Hinzu kam«, sagte Gull, »dass er pathologisch zwanghaft war - extrem beharrlich. In kognitiver Hinsicht und was sein Verhalten betraf.«
    »Sobald er etwas festhielt, wollte er es nicht mehr loslassen«, sagte ich.
    »Exakt«, erwiderte Gull. Als wenn es damit erledigt wäre.
    »Wie hat er es rausgefunden?«, fragte ich.
    »Ich sagte Ihnen doch, durch Herumschnüffeln.« Gull stieß ein bitteres Lachen aus. »Indem er mir hinterherstieg.«
    »Wo?«
    »Er trieb sich nach den Sitzungen in der Umgebung des Hauses herum, kam nach den Öffnungszeiten zurück und wartete draußen auf der Straße in seinem Wagen.«
    »Wo auf der Straße?«
    »Palm Drive. Hinter dem Haus, neben dem Parkplatz. Mir war es damals nicht aufgefallen, aber als er mich später damit konfrontierte, begriff ich, dass er dort gesessen hatte.«
    »In was für einem Wagen?«
    »Einem Mustang.«
    »Farbe?«
    »Rot. Ein rotes Kabrio. Aber er hatte das Verdeck immer geschlossen, und die Fenster waren getönt, deshalb habe ich nie gesehen, ob jemand drin war.«
    »Das ist der Wagen, in dem er ermordet wurde«, erklärte ich.
    »Nun, das tut mir sehr Leid, das ist bedauerlich«, sagte Gull. »Aber damit hatte ich nichts zu tun.«
    »Er hat Sie mit seinen Erkenntnissen konfrontiert und gedroht, Sie anzuzeigen.«
    »Deshalb bringt man niemanden um.«
    »Weshalb bringen Sie jemanden um?«
    »Aus keinem Grund. Gewalt ist immer falsch.« Gull suchte nach seinem Taschentuch. Ich sah es auf dem Boden hinter ihm, ließ mir aber nichts anmerken.
    »Es gibt keinen Grund dafür, irgendjemanden umzubringen«, sagte er. »Ich bin ein entschiedener Anhänger der Gewaltlosigkeit.«
    »Make love, not war.«
    »Sie erwecken den Anschein, als wäre ich ein glattzüngiger Lustmolch. So war es nicht. Manche Frauen brauchen Zärtlichkeit.«
    »Also trieb Gavin sich in der Nähe der Praxis herum«, sagte ich.
    »Das tat er allerdings.«
    »Wie oft?«
    »Keine Ahnung«, erwiderte Gull. »Ich hab ihn einmal erwischt.«
    »Als er Sie erwischte.«
    Schweigen.
    »Wie ist es dazu gekommen?«
    »Werden Sie es gegen mich verwenden?«
    »Verstöße gegen die Standesrichtlinien sind das kleinste Ihrer Probleme.«
    »Was wollen Sie?«
    »Alles, was Sie wissen, über alles, wonach ich frage.«
    »Der Großinquisitor«, sagte er. »Wie können Sie das mit Ihrem Beruf vereinbaren?«
    »Wir machen alle unsere Zugeständnisse«, erwiderte ich.
    Milo klirrte mit den Handschellen.
    Gull sagte: »Klar. Schön. Bringen wir’s hinter uns.«
    »Ist das okay?«, fragte ich Wimmer. »Bei Ihrem vollen Terminkalender und so.«
    Wimmer zögerte. Gull winselte: »Myr-na?« Sie schaute auf ihre Uhr, seufzte, ließ sich in ihren Sessel zurücksinken. »Klar, macht es euch bequem, Jungs .«

39
    »Ich hätte meinem Gefühl folgen sollen … Ich wollte ihn nicht behandeln«, erklärte Franco Gull.
    »Nicht Ihr Typ Patient«, sagte ich.
    Er antwortete nicht.
    Vor ein paar Minuten hatte er sich mehrfach geräuspert, und Milo hatte Myrna Wimmer vorgeschlagen, jemand solle ihren Mandanten mit Wasser versorgen. Mit verärgertem Gesicht hatte sie telefonisch einen Krug und Gläser geordert, aber als das Wasser hereingebracht wurde, weigerte Gull sich zu trinken.
    »Warum wollten Sie Gavin Quick nicht behandeln?«, fragte ich.
    »Ich mag keine Heranwachsenden«, sagte Gull. »Zu viele Krisen, zu viel im Fluss.«
    »Und dann noch ein Gehirnschaden.«
    »Das auch. Ich hasse Neuropsychologie. Langweilig. Nicht kreativ.«
    »Ein Heranwachsender mit Gehirnschaden«, sagte ich. »Außerdem war er

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