Im Sog Des Boesen
Lösung des Problems.
War sie beobachtet worden? Davenport ermittelte in den Fällen, ahnte jedoch nicht, wer die Morde begangen hatte.
Frances? Mein Gott, nein. Hatte sie etwa auch Frances umgebracht?
Sie schloss die Augen, hielt sich am Waschbecken fest, ließ die Schwarzweißzeichnungen bis zu ihrem letzten Treffen mit Frances Revue passieren …
Nichts. Sie öffnete die Augen wieder, erleichtert und verwirrt. Frances ging also nicht auf ihr Konto.
Sie hängte das Handtuch über eine Halterung und bewegte sich ins Ankleidezimmer, wo sie einen sauberen Slip,
einen bequemen BH, einen Jogginganzug, weiche Wollsocken und Laufschuhe anzog. Nun fühlte sie sich warm und behaglich.
Sie hatte drei Menschen ermordet. Mit einem Messer. Wo war dieses Messer? In dem kleinen Wagen, auf dem Boden, unter dem Vordersitz. Sie musste das Gefährt sauber machen und loswerden.
Sie ging ins Schlafzimmer, schaltete das Deckenlicht aus, legte sich aufs Bett und dachte nach.
Sie war nicht als Fairy zu Patricia Shockley gefahren, weil diese sie sonst nicht hereingelassen hätte.
Ganz ruhig. Lass dir Zeit zum Überlegen und mach dich dann an die Lösung des Problems.
Sie war also nicht als Fairy zu Patricia Shockley gegangen. Wenn jemand sie gesehen hatte, erkannte der Betreffende sie vermutlich wieder. Und wenn das passierte, war sie verloren. Sie hatte niemanden bemerkt, aber es gab durchaus einsame, neugierige Menschen, die aus Fenstern schauten …
Nein, es war zu dunkel gewesen, um etwas zu sehen.
Wenn die Polizei Verdacht schöpfte, würden Beamte das Haus durchsuchen und die Sachen von Fairy entdecken, und daran wären genug Blutspuren und Haare für einen DNS-Test.
Sie würden sicher auch ihren Wagen untersuchen und eventuelle Spuren mit dem Blut von Patricia Shockley vergleichen.
Und in Fairys Handtasche würden sie das Foto finden, mit dessen Hilfe Fairy Frances’ Freunde aufgespürt hatte.
Mach dich an die Lösung des Problems.
Loren rief ihr zu: »Alyssa, bitte, bitte, hilf mir. Ich habe Angst zu verschwinden.«
»Verpiss dich«, zischte sie.
»Sie ziehen mich runter, Alyssa …«
»Verpiss dich«, wiederholte Alyssa, doch seine Worte waren genauso laut wie die ihren.
Das erste Mal, als sie ihn gesehen hatte, einen Monat nach dem Mord an Frances, war sie hinaus in die Dunkelheit gelaufen und hatte die Polizei von einem Nachbarn aus angerufen. Und die Beamten waren sofort gekommen, genau wie nach dem Mord an Frances, um das Haus mit gezogener Pistole Zimmer für Zimmer abzusuchen.
Während der Suche nach dem Eindringling war Fairy bewusst geworden, dass dessen Bild weniger vom Spiegel reflektiert wurde, als dass er sich darin befand.
Die Beamten entdeckten niemanden, zweifelten jedoch nicht an ihrer Aussage. Jedenfalls noch nicht am Anfang. Am nächsten Morgen, bei Tageslicht, kamen sie wieder, zu einer Befragung. Der Eindringling, vermuteten sie, kenne sie und das Haus, sonst wäre er nicht in der Lage gewesen, so schnell zu verschwinden. Vielleicht wohnte er sogar in der Gegend.
Aber er hatte nicht ausgesehen wie ein Nachbar. Er war so theatralisch aufgetreten und hatte ein lockeres Seidenhemd à la Oscar Wilde, eine eng geschnittene Hose sowie Stiefel mit Seitenreißverschluss getragen.
Und das passte nicht auf die Nachbarn.
Er kehrte wieder, nicht vollständig, sondern in Andeutungen, mit Pianoklängen, eine Gestalt, die man aus den Augenwinkeln wahrnimmt. Anfangs erschreckte er sie noch, später nicht mehr. Und eines Abends war er einfach da, im Spiegel ihres Ankleidezimmers.
»Wer zum Teufel sind Sie?«, fragte Fairy.
»Ein Geist.«
»Ein Geist?«
»Ja. Nicht viele Menschen sind in der Lage, uns zu erkennen, aber wir können euch sehen. Wir sind tot, und Spiegel sind unsere Fenster zu eurer Welt.«
»Und warum tauchen Sie gerade jetzt auf?«
»Ich bin immer schon da gewesen«, antwortete er. »Ich bewege mich in der Stadt, beobachte die Leute. Bis jetzt konntest du mich nicht sehen, aber nun ist das möglich. Erstaunlich. Sonst kann niemand mich wahrnehmen.«
»Wirklich …«
»Wirklich.«
»Was wollen Sie?«, fragte Fairy.
Er lächelte. »Nicht viel. Ein bisschen Zeit, hin und wieder ein Gespräch und ein paar Takte auf dem Klavier.«
»Ich bin verrückt, stimmt’s?«
»Man muss ein bisschen verrückt sein, um mich sehen zu können, aber du bist nicht geisteskrank, falls du das meinst. Ich bin tatsächlich hier.«
»Ich bin verrückt«, wiederholte sie und wandte sich von
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