Im Sog Des Boesen
die Öffentlichkeit verunsichern. ›Warum‹, werden sie fragen, ›hat die Polizei uns nicht informiert, dass in den Twin Cities ein Serienkiller sein Unwesen treibt?‹ Die
Antwort darauf versuche ich gerade mit Hilfe meines kleinen Notizbuchs herauszufinden.«
»Sie lautet: weil das nichts genützt hätte«, sagte Lucas. »Das Phantombild der Fairy haben wir schließlich schon rumgezeigt …«
»Das ist nicht das Gleiche.«
»Scheiße. Was haben wir?«
»Einen Zeugen, der im Erdgeschoss wohnt, einen gewissen Bob George. Der hat zur Tatzeit eine ihm unbekannte Frau aus dem Haus gehen sehen. Zuvor war da ein Geräusch gewesen - er meint, möglicherweise ein erstickter Schrei. Weil er es nur einmal hörte, hat er sich nicht die Mühe gemacht nachzuschauen.«
»Hatte sie Ähnlichkeit mit der Fairy? Die Frau, die er aus dem Haus hat gehen sehen?«
»Nein. Viel konnte er offenbar nicht erkennen, aber sie schien helle Haare gehabt zu haben, nicht schwarz oder dunkelbraun, sondern eher dunkelblond oder hellbraun. Allerdings ist das Licht draußen nicht besonders gut, also weiß er es nicht genau.«
»Größe und Körperhaltung?«, erkundigte sich Lucas.
»Wie gesagt: Viel konnte er anscheinend nicht erkennen.«
»Es muss die Fairy gewesen sein. Sie scheint ihr Aussehen zu verändern.«
Mit Wut im Bauch und Mitleid für die junge Frau auf dem Boden ging er den Flur hinunter, um mit Leigh Price zu reden.
Leigh trug Schwarz, wie bei ihrem ersten Treffen. Heute hatte sie außerdem dunkle Ringe unter den Augen, und ihre Lippen zitterten. Eine ältere Frau mit rot gefärbten Haaren und Jeans saß bei ihr, als Lucas an einem Uniformierten vorbei das Wohnzimmer betrat.
»Mein Gott«, stöhnte sie, stand auf, ging auf ihn zu,
schlang die Arme um ihn, vergrub den Kopf an seiner Brust und begann zu weinen. Der Polizist verfolgte alles interessiert.
Lucas ließ sie ein paar Sekunden lang gewähren, bevor er sich von ihr löste und sagte: »Ganz ruhig. Setzen Sie sich mal lieber.«
»Sie war gerade dabei, mehr aus ihrem Leben zu machen«, schluchzte Leigh.
»Wie?«
»Sie wollte Jura studieren und eine Diät anfangen. Wieso läuft bloß alles schief?«
»Warum hatte der Mörder von Frances Interesse daran, auch Patricia umzubringen?«, fragte Lucas. »Da muss ein Zusammenhang bestehen.«
»Ich weiß es nicht …«
»Frances hat fünfzigtausend Dollar von ihrem Konto abgehoben. Könnte es sein, dass sie und Patricia geschäftlich etwas miteinander aufziehen wollten?«
Sie sah ihn verständnislos an. »Fünfzigtausend Dollar?«
»Was hätten die beiden Ihrer Meinung nach mit fünfzigtausend Dollar in bar angefangen?«
»Keine Ahnung. Sie haben kaum jemals miteinander geredet. Warum sollten sie …? Fünfzigtausend? Damit lässt sich doch nicht mal ein Kiosk aufmachen. Fünfzigtausend Dollar könnte ja sogar ich noch zusammenkratzen.«
»Drogen, Glücksspiel, Politik?«
Wieder begannen Leighs Lippen zu zittern. »Sie haben wirklich keine Ahnung. Drogen oder Glücksspiel? Absurd. Es gab keine fünfzigtausend Dollar. Davon hätte ich gewusst …« Kurzes Schweigen. »Will diese Fairy als Nächstes mir an den Kragen? Hätte es mich getroffen, wenn ich da gewesen wäre? Dann … Mein Gott.« Sie schlug die Hand vor den Mund.
»Was?«
»Pat hat die Tür immer bei vorgelegter Kette geöffnet. Immer. Die Tür war doch nicht eingetreten, oder? Das hätte ich gemerkt.«
»Ich glaube nicht.«
»Dann hat sie die Person gekannt. Sogar wenn ich noch spät unterwegs war, hat sie bei vorgelegter Kette auf mich gewartet. Und wenn sie eingedöst ist, musste ich an die Tür hämmern und sie aufwecken.«
»Die Kette war definitiv nicht vorgelegt, als Sie heute Abend nach Hause kamen?«
»Nein.«
Lucas ging hinüber zu Patricia Shockleys Wohnung und warf einen Blick auf die unbeschädigte Tür.
»Was ist?«, fragte Anson, der zu ihm trat.
Lucas erklärte ihm alles.
»Aha«, sagte Anson. »Sie hat sie also reingelassen - falls es sich tatsächlich um eine Sie handelt.«
»Leigh Price sagt, sie hätte keinen Fremden hineingelassen, auch keine Frau, seit der Geschichte mit Frances.«
»Wer ist diese Fairy nun?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Lucas. »Obwohl ich das Gefühl habe, dass ich es wissen sollte.« Er dachte nach. »Du nimmst dir die Wohnung genau vor?«
»Klar.«
»Ich möchte wissen, wie viel Geld Patricia Shockley hatte und wo es hinfloss, ob neues dazukam und ob sie in letzter Zeit viel
Weitere Kostenlose Bücher