Im Stein
vorteilhaft?«, sagst du, »Ware … bei McDonald’s …«
»Die Dinge sind nicht so einfach, Kraushaar-San. Es gab einst die Frauen, die wir Asobi nannten. Sie waren begabte Unterhalterinnen. In Kabukichō stehen jetzt die … Schulmädchen. Wie vor tausend Jahren die Ukareme, die einfachen Huren. Und die Triaden bringen die Thai übers Wasser. Wir haben die alten Werte vergessen. Die Geschäfte haben uns kalt gemacht, Kraushaar-San. Kalt und gierig. Wie arbeiten Sie in Ihrer Stadt?«
Sie drückt ihre Zigarette in den silbernen Aschenbecher. Trinkt einen Schluck von ihrem Whisky.
»Es ist nicht immer einfach, mit den richtigen Leuten Geschäfte zumachen«, sagst du, »es ist besser, bei seinen eigenen Geschäften zu bleiben. Die eigenen Wege zu gehen.«
»Sie sind ein Gokodu, Kraushaar-San. Aber jemand wird Sie irgendwann vernichten. Vielleicht.«
Sie lächelt. Ihre Lippen sind immer noch schmal, Falten bis hoch zur Stirn, Falten auf der Stirn unter ihren weißen Haaren, aber ihre Lippen sehen jung aus, als sie lächelt. »Wir wissen nicht, wie wir fortgehen sollen, Arnold-San. Sie, ich. Ehrenvoll gehen, wenn es Zeit ist.«
»Um nicht alles zu verlieren?«, fragst du.
»Sie verstehen, Kraushaar-San. Schon vor langer Zeit achteten wir die Asobi. Und die Jokagu waren die Damen am Hof, die Damen des Adels. Sie waren gut ausgebildet für den Adel. Sie lebten in den großen Burgen und Palästen, sie waren oft selbst von Adel. Ihr liebt doch den Adel in Europa.«
»Es gibt ihn noch«, sagst du, »aber wir haben ihn verjagt.« Du willst ihr vom Bielefelder erzählen, der angeblich blaublütig sein soll, lässt es aber dann.
»Die Queen«, sagt die Dame Sansori, »the Prince of Denmark. Aber diese Welt, unsere Welt, ist anders, Kraushaar-San. Vor vielen Jahren war ich die Mutter der Asobi. Das Syndikat der Unterhalterinnen. Aber die Dinge änderten sich. Die Gier, Kraushaar-San. Das Geschäft. Ich habe die Waren gesehen und den Profit. Wir mussten neue Wege gehen, um nicht unterzugehen. Und verschwinden am Ende dennoch.«
»Die Waren«, sagst du und blickst sie an, während draußen die Straßen heller und bunter werden. Beginnt der Morgen, oder beginnt die Nacht?
»Gokodu«, sagt die Dame Sansori, »sie waren für nichts anderes vorgesehen in ihrem Leben.«
»Die Thai?«, fragst du.
»… sie und wir. Es ist nicht einfach, die neuen Wege zu gehen und die alten Wege zu achten. Wir vernichten uns selbst, um weiter unser Geschäft zu betreiben.«
»Ich will Ihnen nicht zu nahe treten, Frau Sansori«, sagst du, »aber ich würde in meinem Geschäft nie von Ware sprechen …«
Und da lacht sie. Du trinkst. Der Whisky brennt in deinem Mund. Die Dame Sansori holt tief Luft.
»Sie sind wirklich ein sehr vorlauter Gaijin. Handeln mit denselben Waren. Ohne Ihren Stock hätte Kabukichō Sie schon längst totgeschlagen.«
Und als du an den Wänden aus Glas entlanggehst, Hunderte Meter über der Stadt … Und als du durch den großen Raum schreitest, Hunderte Meter über der Stadt … Und als du deine Hand über eine der Kerzen hältst, um zu begreifen, dass du noch bist , Hunderte Meter über der Stadt … Und als du dann ihre tiefe Stimme wiederfindest in deinem Kopf …, Hunderte Worte und Hunderte Sätze …
»Dass das Ficken verboten ist, du Gaijin. Für Geld. Als Geschäft. Du hast doch die Blowjob-Salons gesehen, du Gaijin. In denen der hölzerne Kopf deines Stockes dir deinen Kopf gerettet hat. Du hast doch die Massage-Salons gesehen, wo das Geld der Gaijins und der Schwanz der Gaijins willkommen ist. Wo die kleinen Thais auf deinem Rücken sitzen. Wo das Ficken verboten ist, Gaijin. Und wo sie dich trotzdem ficken, Gaijin. Du Mann von draußen. Kennst du nicht deine eigenen Geschäfte? Hinter dem Vorhang, hinter dem dunklen Glas? Willst du wissen, wie ich seit fast fünfzig Jahren über diese Dinge wache? Erzähl mir nichts von deinen Engeln, von deiner Unschuld, Gaijin.«
Und du läufst die drei gläsernen Wände Meter um Meter ab. Siehst den großen Schlüssel mit der eingestanzten 27 auf einem Tisch. Aber du bist in keinem Hotel. Du berührst die Flaschen in der Bar. Siehst die Kerzen auf den kleinen Tischen neben dem Bett. Ein silberner Aschenbecher, in dem eine Zigarette qualmt. Du legst den Kopf an das Glas. Hast die Zigarette zwischen den Lippen, und die Glut berührt die Scheibe, und Asche und Glut fallen auf den Teppich, und du hockst dich hin und zerstäubst sie vorsichtig mit beiden
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