Im Stein
ein schöner Mann …
Abziehen ? Nee, mich nicht. Und das sind eh nur noch Legenden aus einer fernen Vergangenheit. Aber ich bin ja sowieso großzügig, mehr so Gentleman, also so seh ich mich selbst, würde mich schon als Gentleman bezeichnen, als großzügig, auch so in meiner Art, alte Schule vielleicht, würd ich sagen. Ausziehen .
II
Unter Eckis Füßen rumpelt’s. Und da ist immer noch und schon wieder Donnerstag. Naschmarkt. Null Komma neun Promille. Plötzlich ist er ganz allein. Er kann seit einer Weile nicht mehr verstehen, was da passiert in der schwarzen Stadt. Wundert sich aber auch über gar nichts mehr. Sieht, wie sich der Riesenleib erst hinter den Häusern und dann über den Boulevard bewegt. Na klar. Da sind die alle hingerammelt. Weil sie gucken wollen. Und erinnert sich, wie sie das am Morgen im Radio angesagt haben . Ihr hört zweiundneunzig Komma … Die Frauen wurden mit Hilfe eines ausgeklügelten Bondage-Systems aneinandergebunden, immer dichter, immer höher, Hunderte Frauen, mehr als fünfhundert um circa genau zu sein, und mehr noch und mehr noch, weil Gastdemonstrantinnen aus ganz Deutschland sich mit einbinden lassen, Völker , schaut auf diese Stadt! , die meisten der Einheimischen wird er kennen, bis sie in diesem Riesenkörper vereint sind. Und der marschiert nun los. Wenn sonst nichts los ist. Der Weihnachtsmarkt ist seit Wochen abgebaut.
Und da fällt ihm ein, dass er Geld ziehen muss. Obwohl er ja warten muss, bis der große Protestmarsch vorbei ist, wenn er es an die Frau bringen will. Also bevor er wieder an und in und bei den Objekten, Wohnungen und Clubs klingeln kann. TOCK TOCK. Jemand zu Hause? Auf was für Ideen die Hurengewerkschaft manchmal kommt . Wir müssen den Bürgern zeigen, dass wir in ihrer Mitte sind! Er wühlt in seinen Taschen rum. Er sieht die Schlange der Taxen unterhalb des Marktes. Er sieht die riesige wankende Gestalt hinter den Häusern, dann auf dem Boulevard, dann wieder hinter den Häusern. Wohin gehst du? Und da steht er plötzlich vor dem kleinen Stand mit den Holzfiguren. Weil heute Markttag ist. Naschmarkt, Neumarkt, Zentralmarkt. Im Sekundenschlaf rotieren die Bilder vor seinen Augen, hinter seinen Augenlidern . Und da steht er wieder Gewehr bei Fuß. Was für ein Stuss, rufen ihm die Taxifahrer zu, die Stadt wird noch versinken!
Sie müssen das Donnern und Rumpeln unter seinen Füßen meinen, der Bohrer gräbt. Ecki will Geld ziehen, der Automat hat immer recht. Und immer mehr Löcher im Schweizer Käse unter der Stadt. Da gibt’s den Nachtzug nach Zürich . Vielleicht trinken wir noch ’ne Kanne, dann steigen wir zu.
Und am Mittwoch gibt’s den Kurzen und den Obstler im »Eisenbahner« für halbiert. Ist aber nicht Mittwoch. Ist auch gut so, denn zu einem Körper gehört auch ein Geist. ( Heinrich Geist, sagt Bernd, der mal Deutschlehrer war, Himbeer Kleist. Wird aber kein Lacher. Kapiert auch keiner, nichtmal Reiner.)
Riesenkörper und halbierte Kurze kennt der Ecki gut, denn er ist achtundvierzig, und die LB finanziert das Beben unter seinen Füßen ( mit zumindest), und die Personalabteilung bringt die Buchhaltung auf Trab, und alle rennen, und der Außendienst rennt, und die Chefetagen diskutieren über die Farne und die Objekte, in denen die Frauen erschöpft liegen, weil das Wochenende vorbei ist und weil die Hurengewerkschaft für die Modifizierung des Prostitutionsgesetzes demonstriert, Ja, was hat das eigentlich mit uns zu tun? , und Ecki rennt und rennt durch die Ebenen, in denen die neueste Kunst hängt, da bleibt er kurz stehen vor den Bildern, bevor er weiterrennt, Riesenfarne streicheln seine Schultern, er schaut in die Glut und in den Abend, und dann rennt er weiter durch die Flure, wie waidwund. Zu Hause muss er sich die Käsefüße wegduschen, vor allem am Donnerstag. Elektronen werden auf ein Molekül geworfen, das führt zur Oxidation. Wenn’s wenigstens kühl wäre, das Molekül, Neutrinos durchdringen Körper und Stein, Ecki blättert in der Kantine im neuen »Geo-Magazin«. Seine Pornosammlung hat er verkauft, wem soll er das denn vererben.
Also ich werde jetzt … sechsundvierzig in diesem Jahr. Ich bin Angestellter in einer Versicherungsgesellschaft.
Ich hab keine Kinder, und an und für sich, mit meiner Frau hat das nichts zu tun. Ja, ich bin geschieden, nein, Büroarbeit würde ich das jetzt nicht unbedingt nennen. Ja, ich habe so einiges gemacht nach der Wende, weil …, also dass ich jetzt mit meiner
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