Im Stein
Freundin nicht verheiratet bin, scheint ja eh jeder zu wissen. In der Kantine und im »Eisenbahner«. Ja, was die so erzählen hinter meinem Rücken, ist mir auch egal. Ich bin da immer offen gewesen, auch wenn sie das nicht weiß. Theoretisch wär’s möglich, da ich ja geschieden bin. Ich habe mal in einer großen Chemiebude gearbeitet, ja, hier in der Stadt, Galvanisierung und so, schlecht für die Lunge. Deswegen rauche ich auch nicht mehr. Wo das war, da ist jetzt ’n Puff drin. Also was da von dem Werk noch übrig ist. Ist nur ein Haus. Obwohl, Puff würde ich jetzt nicht sagen, weil das ist ein prima Club. Wenn ich da an der Bar sitze, kriege ich sofort mein Stamm-Getränk. Und dann kommt auch schonmal der Chef, und wir schwatzen so dies und das. Wenn er Zeit hat. Hat meistens viel zu tun. Ich auch, wenn ich dort bin. Man sagt das eben so, meine Frau , deine Frau , auch wenn man nicht verheiratet ist. Und mit Kindern, also mit einem Kind, hätt ich an und für sich kein Problem. Mit achtunddreißig ist das ja heute keine große Sache mehr. Für ’ne Frau. Der Anthony Quinn hat ja mit fast achtzig noch, hab ich vor ’ner Weile mal gelesen. Lebt der eigentlich noch? Und, na klar will sie. Und da hat man schon auch noch Träume nach all den Jahren. Und die Sache ist doch die … Warum erzähle ich das eigentlich?
Ecki steht auf dem Naschmarkt im Schneematsch und führt Selbstgespräche. Eins sieben drei null auf der Digitalanzeige. Warum die da weiterbohren? Muss doch noch kälter sein da unten. Und Mister Orpheus führt den Bohrer immer tiefer in den Stein. Da stößt man auf schwarzen Granit, hat ihm mal jemand gesagt. Deswegen dauert das so lange. Und dass die da unten in immer tiefere Schichten dringen. Deswegen die Farne. Ja komisch, wo doch noch Winter ist. Und dass die da auf die alten Straßen und Gassen und Viertel stoßen. Weil das ein guter Nährboden war. Und ist. Das Kupfergässchen, die Ulrichsgasse, die Münzgasse. Dort haben sie im Untergrund ein fast schon versteinertes Holzschild gefunden. »Leichenbrett«. Was für ein bescheuerter Name für ein Bordell. Woher weißt’n das, Ecki?
Jaaa, das würdet ihr gerne wissen!
Der Chef der alten Bude, also wo jetzt die neue Bude drin ist, also der Chef vom Nachtclub, der hat ihm davon erzählt, weil der das Schild unter der Hand gekauft hat. Beziehungen. Und er hat’s dann wohl dem Alten vom Berge geschenkt. Alles ohne Gewähr. Und ohne Gewehr. Wobei ja im Moment zwischen den großen runden und dreieckigen Blättern der Farne, die sich um die Fassaden winden, alle möglichen Gesichter erscheinen. Macht euch zurück in euren Dschungel! Es wachsen zwei Königsfarne, erzählen die Leute, Osmunda regalis , bis hoch über die Dächer der Stadt. Einer draußen am See, neben einer Villa in Ufernähe, man kann die Berge von dort aus sehen, der zweite nördlich des Zentralbahnhofs. Dort, wo die Frauen in den Spiegeln warten.
Da dröhnt es ihm vom Wochenmarkt her in den Ohren, WURST KÄSE KÄSE, das echot zwischen den Portalen des Zentralbahnhofs, DER LEBT NOCH, SO FRISCH IST DER, direkt aus dem Herzen der Meere, dabei ist der Zentralbahnhof ungefähr eintausend Meter vom Wochenmarkt entfernt. Da will Ecki nochmal nachmessen, Schritt für Schritt, weil das nicht stimmen kann. Hand im Schritt. Weiter, viel weiter noch . Und Ecki kauft eins von den Figürchen am Holzfigürchen-Stand, für seine Frau nämlich, die noch nicht richtig seine Frau ist, also vorm Gesetz, wie man so sagt. An ihm liegt’s nicht. An ihr auch nicht, denn Ecki lebt allein.
Da drängt sich ihm die Stadt auf mit Zeitverzögerung. Grau. Rosa. Give me pink! Er hört Musik von weit, weit … irgendwo, Sexkantine, sieht in einer Schaufensterscheibe seinen eigenen Tod, also das ist mir jetzt wirklich zu billig , ein Haus aus Glas, Mode – Modernes Antiquariat – Lecker Pizza – Bäcker Boy – Boyzone – Mode – Moderne Küchen – Kittchen Club – Sven’s Super Döner – Süßsauer – Glaswaren – Teppich Mekka – Crossover Laden – Mäc-Geiz – Burgerking – Bürgeramt Talstraße – King Kong – Männer Moden. Ecki liest »Männer Hoden«. Ding Dong. Jaaa? It’s blowtime!
Was ich sagen will, dass sexuell gesehen, also an und für sich, ich eigentlich ausgelastet bin. Ich meine, mit sechsundvierzig, da hat man ja schon dieses und jenes …, nichts Unmenschliches ist mir gedanklich nahe. Nee. Die einen erzählen bei den Huren, dass sie alleine sind,
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