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Im Stein

Im Stein

Titel: Im Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens Meyer
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ich erzähl, dass ich ’ne Frau hab. Na ja, eigentlich ist sie noch nicht richtig meine Frau, ist nur ’n Verlobungsring. Galeria Kaufhof. Da treibt es ihn aus der Würfelrunde im »Toten Eisenbahner« ins MEKKA DER PORNOGRAPHIE, die Eins kommt doch , und weiter, viel weiter noch, Frank schreibt mit, wer fängt an?, reich mal die Kanne rüber. Ecki schleicht durch den Schneematsch. Holz hält Hände fest. Ecki streichelt das Figürchen. Ecki weiß nicht, was ihn jetzt weitertreibt, zu Hause isses kalt und leer, beziehungsweise will es auch gar nicht wissen, beziehungsweise ist Beziehungsscheiße , steht hinterm Zentralbahnhof vor der »Sexworld«, die später »Club der Engel« heißen wird, und sieht die Frauen in den Spiegeln warten, der Riesenfarn wirft Schatten, weil der Mond schon aufgegangen ist, da bewegt sich plötzlich alles anders in den weißen Nebeln, er denkt, er fühlt sich, als würde er geometrisch genau in der Mitte von etwas stehen, Reduktion, Verlangsamung, verlangsamte Besamung, Galavanisierung der Hoden, wunderbar! , Ecki wühlt in seinen Taschen, Billard, oder was ?, er hat aufgehört zu rauchen. Das ist nicht lustig.

III
    Und da sitzt der kleine Holz-Elch, nix Hirsch, auf der Zapfanlage und macht mit einer Riesenschnute einen Kussmund. Da drängt sich ihm die Nacht auf mit Zeitverzögerung. Grau. Rosa. Give me pink!
    Weil die Karin ihn mit aufs Zimmer nimmt. War so einsam, der Kleine! Schrapnelle regnen aus den Wolken, das war nicht angesagt. Das verhagelt mir die Stimmung! Draußen fahren die großen schwarzen Wagen vorbei. Drinnen wird die Musik lauter gedreht. Die erste Nummer des Abends.
    Halbe Stunde Sparprogram. OV, OV / jetzt wollen alle OV / GV, OV / ich biete kein AV! Superhits der Achtziger.
    Und am Gleis 8 kommen die Züge aus Berlin an, und Soldaten betreten den Bahnsteig. Reiner und Frank und die anderen, die kleine Rollen spielen, gucken durch die beschlagenen Scheiben des »Toten Eisenbahners«.
    Und da laufen sie an ihnen vorbei die Treppe runter, Adidas, Gold, oh Gold , am Hals, oh Hals, macht Hosen nass , Puma-Socken macht se wieder trocken, große Kerle, Arnie on the beach, sieht hellbraun aus, Dschungel, türkische Früchte, draußen warten die dunklen Autos, um die Soldaten aufzunehmen. »Berlin, Berlin, wir scheißen auf Berlin!« Das ist die Steinfresse, die ist aufgesprungen und brüllt: »Bier und Schnaps«, die Luft ist voller Flüssigkeit und voller Angst, und alle ducken sich hinter den Tresen. Wo dann später rauskommt, in der Flüsterkneipe, im »Toten Eisenbahner«, dass die Steinfresse vor fast zwanzig Jahren mal Fahrer gewesen ist, der Fahrer lässt einen fahren nach acht Schnäpsen, und doch Stasi!, ehemalig, und dann Job weg, und zapp-zarapp fährt er die Mädels, der alte arbeitslose Major, damals, hammer doch gewusst, ist ja der Hammer! , und jetzt schreit er sich die Lunge wund, und nichtmal Wahrheitsschwund, und der kleine hölzerne Elch vibriert woanders auf der Zapfanlage, roter Mund, und dann aufm Zimmer, wo is’n Ecki? , und die nubischen Soldaten durchqueren zu Fuß und in den dunklen Wagen die Stadt. Weidwund. Nee, noch kurz hinter LOS das ganze, Badstraße, E-Werk. Manche sind schlau und fahren in schneeweißen Kutschen. Gebt Gas, gebt Gas, wir wolln Spaß!, Scheißdreck, wir wollen Kohlen, weißes Gold, wir wolln uns beteiligen am großen Reigen, coole Gängster fahrn fahrn fahrn mit der Eisenbahn, da braut sich was zusammen, ob Ecki schon bei seiner Braut ist?, Seemannsbraut oder was? , was’n das?, Schiff ahoi, so nannte man früher die Gummimädels, »Ich hab gehört, jetzt geht viel ohne«, kennst dich wohl aus, »Glaub ich nicht«, bin doch nicht verrückt!, und Ecki vermisst seinen kleinen hölzernen Elch, während er auf der Höhe von Gleis 10a in der Unterführung, die die vielen Bahnsteige miteinander verbindet, die Stahltür mit einem Vierkantschlüssel öffnet, den er wie einen Talisman um den Hals trägt. Ins tiefe Tal der Superhexen. Die Nässe an den Wänden ist gefroren. Über ihm rumpeln die Züge. Einbahnstraßen und Eisenbahnstraßen. Im »Toten Eisenbahner« schwatzen sie weiter, als gäbe es kein Morgen, als gäb es keine Sorgen. »Hauptsache, das Bier schmeckt!«, »Jaaa, das schmeckt.« Weit weg hört er den Bohrer. Der ist auf schwarzen Granit gestoßen. Hat er in der Zeitung gelesen. Er hat mal kurz beim Bauamt gearbeitet und kennt fast alle Zugänge zu den Katakomben. Das war nach der Galvanisierung und vor der

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