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Im Stein

Im Stein

Titel: Im Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens Meyer
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kleiner Mann.«
    »Guck sie dir genau an. Du warst doch sicher nicht die Einzige.«
    »Ich bin weg davon. Ich will davon nichts mehr wissen.«
    »Du brauchst keine Angst vor mir zu haben. Wozu geb ich dir Sekt aus, wenn du nichts erzählst, du kleines Miststück.«
    »Ich hab doch ein Kind jetzt, das ist bei der Oma.«
    »Als du noch klein warst.«
    Party in der Hauptstadt. Ich war fleißig, um mir alles leisten zu können. Ich war das Kioskmädchen. Ich war das Imbissmädchen mit den Blumen im Kopf. Ich war Julia Roberts mit dem flachen Bauch.
    »Du hast wohl Angst, dass er wiederkommt?«
    »Ich hab keine Angst. Vor niemandem mehr.«
    »Wenn sie auch bei ihm war, kann ich ihn totmachen für dich.«
    »Du bist doch krank.«
    »Trink noch einen Sekt mit mir und denk genau nach.«
    »Wo hast du eigentlich das Geld her? Er hat mir sogar Champagner gekauft.«
    Wenn man ein Kind hat, braucht man doch viel mehr Geld. Die Oma hat immer aufs Kind aufgepasst. Aber sooft es ging, bin ich zu meinem Kind gefahren.
    »Ich hatte auch mal ein Kind.«
    »Ich kann dir nicht helfen, kleiner Mann. Wo hast du eigentlich das viele Geld her?«
    Als ich schwanger war, habe ich nie was genommen. Ich habe nie was genommen. Nur manchmal, nachts, wenn wir unterwegs waren. Hier und da. Aber nicht viel. Nein, es war ein Junge. Da bin ich froh, wenn ich jetzt so drüber nachdenke, da bin ich irgendwie froh drüber. Nein, das will ich nicht sagen, wie er heißt, das will ich dir nicht sagen. Weil es mein Kind ist und weil das privat ist und weil das hier in der Welt niemand wissen darf. Das war dann so, dass ich eigentlich nur noch müde war. Dass ich nur noch sitzen oder liegen wollte, nein, liegen eigentlich nicht, aber vielleicht ganz für mich alleine, ich wollte mich immer hinsetzen oder irgendwo anlehnen, weil ich so müde war. Er hat gesagt, dass das vorbeigeht und dass er sich mit mir zusammen um das Kind, um den Jungen, kümmern will, wenn wir genug Geld zusammenhaben.
    »Wenn das Kind von mir wäre, ich hätte dich nie allein gelassen. Dich und deinen Jungen.«
    Manchmal hab ich sogar gedacht, wenn ich drauf war, dass es ein Mädchen ist. Weil ich ganz früher mir immer vorgestellt habe, dass ich mal ein Mädchen kriege, weil Blumen und Pflanzen, das ist ja nun doch nichts für Jungs. Anfangs hat er mir Blumen geschenkt. Nein. Das stimmt nicht. Das denke ich mir aus, weil’s schön gewesen wäre.
    »Du sollst mich doch nicht anlügen, verdammt nochmal.«
    Ich kann dir nicht helfen. Vielleicht habe ich sie wirklich mal gesehen, vielleicht habe ich sie sogar mal …, und mit ihr gesprochen. Aber versteh doch, alles leer, alles müde. Ich hab doch keine Ruhe, weil er mich sucht. Erzählen sie hier.
    »Ich denke, du bist raus, Mädchen?«
    »Bin ich auch. Aber wenn man die Leute hier kennt …«
    Und ich geh manchmal noch vorbei hier, wenn ich von der Arbeit bei Karstadt komme, ich arbeite nämlich jetzt wieder richtig, obwohl ich Angst habe, dass er hier auf mich wartet. Er ist sechsundfünfzig. Und am Anfang war er so gut zu mir.
    »Red’s dir nicht schön, verdammt nochmal, hier, trink noch einen Sekt. Und du hast dir wirklich nie die Nase operieren lassen? Und lüg mich nicht an, du kommst doch nur hierher, um dir ab und an etwas Schorre zu besorgen. Lüg mich nicht an, du …«
    In paar Wochen bin ich hier weg. Dann gehe ich zu Oma, und dann will ich versuchen, wieder Arbeit zu finden, irgendwo bei uns in der Nähe. Da ist Natur und Tourismus, da will ich wieder Gärtnerin …
    »Ein Dreck ist dort! Verrecken kannst du dort! Nur Wald und Idioten. Wie willst du da jemals … Lüg dich doch nicht selbst an, Mädchen.«
    »Du bist ein guter Mann. Mir hat lange keiner mehr zugehört.«
    Und ich hab eine Freundin, dort in der Stadt, wo du herkommst, kleiner Mann. Ich habe schon gedacht, ob ich nicht dorthin gehen kann. Aber sie arbeitet in einer Wohnung, verdient richtig gut Geld, aber ich will damit doch gar nichts mehr zu tun haben.
    »Du bist ein sehr schönes Mädchen. Jemand sollte sich um dich kümmern, ich meine, du bist was ganz Besonderes.«
    Als er aufwacht, ist er wieder im Containerpuff in der Hafenstadt. Weiß nicht, in welcher Zeit seiner Suche er sich befindet. Plüsch über den Metallwänden. Bläuliches Licht. Vielleicht Schwarzlicht. Ein rotes Herz, auch Plüsch. Er liegt auf dem großen Bett. Seine Tochter ist nackt und sitzt auf ihm. Ihre Zähne leuchten im offenen Mund. Sie hat sich die Nase operieren lassen, aber

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