Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Stein

Im Stein

Titel: Im Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens Meyer
Vom Netzwerk:
sicher an den Fettdünsten, den Frittierdünsten, die er täglich einatmet. Ein Freund von ihm hat einen Imbiss aufgemacht, kurz nach der Wende, dort in seiner Stadt, in die er wieder zurückfährt, bald, in die er nie wieder zurückfährt, bald, hat einen Pommes-Imbiss eröffnet und viel Geld verdient, damals nach der Wende, hat ihn, so erinnert er sich jetzt, bevor er mit dem Mädchen, endlich unendlich, redet, hat ihn doch dieser Freund damals, der wie er in den Stallungen gearbeitet hat, gefragt, ob er nicht mit einsteigen will in das Geschäft mit den Fritten. Der Frittenmarkt war groß im Kommen damals, noch kein RonaldMcDonald on the road überall und kein Burger-König, und so ein Imbiss, an der richtigen Stelle, war ein Goldesel, oder besser: eine Gold-Marie, aber er war nach dem Ende seiner glorreichen Karriere am Ende seiner glorreichen Karriere. Erinnerungen an die wenigen Siege, die immer mehr wurden in den Jahre der Erinnerungen, und seine Tochter, sein kleines Mädchen, weit weg. So weit, und als er das merkte, noch viel weiter.
    Undsoweiter. Ihm tat die Leber weh, ihm tat das Herz weh.
    Es war an einem sehr warmen Tag. Die Pollen flimmerten durch die Luft dieses warmen Tages. Es war einmal, könnte man bald sagen, nicht wahr? Wohin gehst du. »Was du liebst, lass frei. Kommt es zurück, gehört es dir – für immer.«
    Es war an einem sehr warmen Tag. Die Pollen flimmerten durch die Luft. Einmal musste sie sehr lachen. Unten in der U-Bahn. Weil sie das in einer Zeitung las: Große Aufregung um ein kleines Verkehrsschild. Zwei Polizisten montierten in W. ein Verkehrsschild ab, da sie es für eine Fälschung hielten. Eine Prüfung ergab, dass das Schild echt ist. Die Polizisten mussten es wieder anschrauben!
    Dann wird die Sehnsucht immer größer. Endlich Berlin! Und der Tag war sehr warm, und die Pollen flimmerten … Hatschie, hatschie, streichle die bebenden Flanken. Hunde schwitzen nicht, Pferde schon.
    »Ich bin längst nicht mehr dabei.«
    »Kannst du dich an sie erinnern?«
    »Du scheinst nett zu sein, aber ich kann dir nicht helfen.«
    »Du bist ein hübsches Mädchen. Und ich habe gedacht …«
    »Tut mir leid. Weißt du, was ich gedacht habe?«
    »Nein.«
    »Der alte Gast kehrt zurück. Oder noch schlimmer …«
    »Was wäre noch schlimmer.«
    »Das weißt du doch. Jemand fragt nach mir. Ich bin längst nicht mehr dabei. Ich fahre jede Woche zu meinem Kind. Jedes Wochenende.«
    Er hält ihr die Pistole an den Kopf, aber sie ist es nicht. Und sie weiß nichts. Was für ein warmer Tag, und wie die Pollen flimmern.
    »Wie meinst du das, mit diesem Spruch, deinem sogenannten Lebensmotto? …, für immer.«
    »Ich weiß nicht, was du meinst. Und weißt du, was mir am meisten Angst gemacht hat?«
    »Als du mich sahst?«
    » Er ist in deinem Alter.«
    »Woher weißt du kleine Sau, wie alt ich bin?«
    »Du bist nett. Zum Essen hat mich lange keiner mehr eingeladen.«
    »An dieser dreckigen Frittenbude konnten wir ja schlecht reden.«
    »Die machen gute Fritten, kleiner Mann.«
    »Ich bin einsfünfundsechzig!«
    Ich war eine Gärtnerin. Ich liebe die Blumen. Da ist sehr viel Natur in unserem Dorf. Ich war auch mal in der Stadt, von der du mir erzählt hast. Aber da war ich schon lange hier. So fein essen war lange mehr keiner mit mir. Meine Oma ging immer in den Landgasthof mit mir. »Als du noch klein warst.«
    »Als ich noch klein war.«
    »Und ich dachte, ich hätte dich gefunden.«
    Tulpen waren meine Lieblingsblumen. Ich hatte eine gute Freundin, die ist dann für immer in die Stadt gegangen, von der du mir erzählt hast und in der ich auch kurz war. Die wollte hier weg aus der Riesenstadt, aus der Stadt der Riesen, und dort richtig und in Ruhe Geld verdienen. »Du hast sicher auch gut Geld verdient. Zeig mal deine Nase her.«
    »Anspritzen kostet extra. Und fass mir nicht ins Gesicht.« Und es war so ein warmer Tag, dass ich mir wieder meinen kurzen Rock angezogen habe. Das Blümchenkleid. Da muss ich hin, da bin ich frei.
    Einhundertzwanzig Kilometer sind’s bis Berlin. Ich bin gerne Gärtnerin. Und ich wollte irgendwann wieder arbeiten, als Gärtnerin, aber erstmal gucken. In der Schule war ich ja nicht schlecht. Und die Lehre fiel mir auch leicht. Weil ich war gerne … Was für ein warmer Tag. Mit den Pollen hatte ich nie Probleme. Das wäre ja sonst gar nicht gegangen. Die Pflanzen, die Bäume, die Blumen und ich.
    »Hat er noch andere Mädchen gehabt?«
    »Er hat mich nicht gehabt,

Weitere Kostenlose Bücher