Im Sturm der Sinne
erschien ihr noch kleiner. Ihr gebrechlicher Körper war in ein zartes elfenbeinfarbenes Seidenhemd gehüllt, das zu der Farbe ihres hellen Haares passte, und ihre blauen Augen – die so sehr Gileads ähnelten – blickten sie freundlich an.
Zwei andere Frauen waren im Zimmer. Eine war etwa in Deidres Alter mit dunklem Haar und dunklen Augen; die andere war einige Jahre älter mit roten Haaren und scharfen Fuchsaugen. Beide sahen Deidre mürrisch an, als Una sie hereinführte. Wahrscheinlich waren auch sie Kammermädchen, denn ihre Kleider glichen dem ihren.
»Das Mädchen, das Euch Euer Sohn schicken lässt.« Unas Ton spiegelte deutlich wider, was die Mienen der beiden Frauen in der Ecke ausdrückten.
»Ah, richtig«, begann Elen mit leiser, sanfter Stimme, wurde aber unterbrochen, als sich die Vorhänge im hinteren Teil des Raumes öffneten und eine weißhaarige Frau eintrat. Sie trug einen Becher, den sie Elen reichte.
»Trinkt das, Mylady. Ihr werdet Euch bald besser fühlen.«
Auf den ersten Blick hielt Deidre die Frau für uralt, aber als sie sich Deidre zuwandte, sah sie Augen, schwarz wie Ebenholz, und ein Gesicht, das nahezu faltenlos war. Sie hätte jedes Alter haben können. Deidre zitterte leicht, obwohl der Raum durch zwei flackernde Feuerstellen sehr stickig war.
Elen kräuselte ihre feingeschnittene Nase. »Muss ich dieses grauenhafte Gebräu wirklich jeden Tag trinken, Brena? Du weißt, es ist mir zuwider.«
»Wie ich Euch gesagt habe, Mylady, das Gebräu befreit Eure Gelenke von den Schmerzen.«
In diesem Moment hörte Deidre ein schüchternes Scharren an der Tür, und gleich darauf wurde sie langsam von Anna aufgestoßen, die ein mit Essen überladenes Tablett trug. Sie stellte es auf dem Tisch neben Elen ab und beugte sich zu einem Knicks. Der Geruch von noch warmem Fladenbrot und frischer Butter ließen Deidre das Wasser im Mund zusammenlaufen. Der Duft des mit Zimt verfeinerten Haferbreis war himmlisch, und für eine Scheibe des Käses könnte sie … Sie legte sich eine Hand auf den Bauch, um das Knurren zu unterdrücken.
Anna lächelte ihr zu, und Deidre war froh, dass zumindest eine der Mägde freundlich zu ihr war. Dann nickte Anna in Brenas Richtung.
»Das ist die Heilerin, von der ich gestern gesprochen habe. Vielleicht sieht sie sich die Beule an deinem Kopf an.«
Deidre schrak auf. »Nein, das ist nicht nötig.« Zu spät. Die Heilerin kam bereits auf sie zu.
»Ich werde mal einen Blick darauf werfen.« Geschickte Finger befühlten Deidres Haar und als Brena wieder von ihr abließ, warf sie Deidre einen abmessenden Blick zu. »Nichts, das nicht von alleine heilt.«
Sie weiß, dass ich gelogen habe.
Deidre versuchte sich nichts anmerken zu lassen, doch dann gab ihr Magen ein lautes, hungriges und äußerst peinliches Knurren von sich.
Die Frauen in der Ecke kicherten und Lady Elen warf ihnen einen tadelnden Blick zu. »Sheila«, sagte sie sanft zu der älteren Rothaarigen, »du und Janet sollten es besser wissen, als Euch vor meinen Augen über jemanden lustig zu machen. Das werde ich nicht dulden.«
»Ja, Herrin«, sagten sie gleichzeitig und senkten ihre Köpfe.
Deidre war froh, dass Lady Elen so gütig war, fürchtete aber gleichzeitig, dass diese freundlichen Worte das Misstrauen der anderen Frauen endgültig besiegelt hatten. Von den beiden anderen driftete eine Welle des Unmuts zu ihr herüber.
Elen warf Una einen Blick zu und wandte dann Deidre ihre Aufmerksamkeit zu. »Hast du noch nichts gegessen, mein Kind?«
Bevor Deidre antworten konnte, wurde die Tür aufgestoßen, so dass sie beinah an die hintere Wand schlug, und ein Mann trat ein, dessen muskulöse Schenkel sich auf seinen engen Trews, den ledernen Beinkleidern der Schotten, abzeichneten.
Er erfüllte den ganzen Raum. Er war groß und noch breitschultriger als Gilead; seine starken Oberarme wölbten sich so sehr, dass die lederne Jacke spannte, unter der er kein Hemd trug. Der breite Oberkörper verjüngte sich zu schmalen Hüften und einem flachen Bauch. Sein schwarzes Haar, das von einem Lederriemen zurückgehalten wurde, zeigte noch keine Spur von Grau, obwohl Deidre sich augenblicklich sicher war, dass sie den Herrn der Burg vor sich hatte. Alles an ihm schrie pure, reine Männlichkeit hinaus.
Elen schien noch weiter in ihren Kissen zu versinken, als Angus über ihr aufragte und einen silbernen Kelch mit Wein auf den Tisch stellte.
»Trink lieber das als den Tee, den du so gern hast. Wird ein
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