Im Sturm erobert
war. Seine blonden Locken, kurzgeschoren wie die Byrons, umrahmten eine schöne Stirn und intelligente, schüchtern blickende, blaue Augen. Sie schätzte, daß er etwa in ihrem Alter war, vielleicht ein oder zwei Jahre jünger.
»Verzeiht die Verwechslung, Sir«, sagte sie.
»Nein, nein, das ist schon in Ordnung«, beschwichtigte er sie hastig. »Leider ist mein Name Saltmarsh, Graham Saltmarsh.« Er neigte den Kopf. »Zu Euren Diensten, Mrs. Poole.«
»Ich kenne Euch nicht, Sir. Wie kommt es, daß Ihr mich kennt?«
Graham seufzte. »Das wird etwas schwierig zu erklären sein.« Er sah sich in dem Laden um und trat dann einen Schritt näher zu ihr und senkte die Stimme zu einem verschwörerischen Flüstern. »Bitte verzeiht mir, Mrs. Poole. Ich weiß, wer Ihr seid.«
»Das ist offensichtlich. Diese Tatsache haben wir bereits festgestellt. Aber nachdem wir uns nie vorgestellt wurden, hättet Ihr bitte die Güte, zu erklären, woher Ihr meinen Namen kennt?«
Er sah sich noch einmal um und rückte noch näher. »Der Lehrling Eures Druckers«, sagte er aus dem Mundwinkel. Jetzt war Beatrice an der Reihe, ihn erstaunt anzusehen. »Der Lehrling?«
»Ich muß zugeben, ich hab ihn bestochen. Aber ich versichere Euch, daß die Information nicht billig war.«
Mit einem Mal fiel der Groschen. »Gütiger Himmel, Sir, wollt Ihr damit sagen, daß Ihr wirklich wißt, wer ich bin?« »Ja. Ich weiß, daß ihr die wunderbarsten Schauerromane unter dem Namen Mrs. York schreibt.« Seine Augen strahlten hinter der Brille vor unverhohlener Bewunderung. »Bitte erlaubt mir, Euch zu sagen, daß ich über glühende Kohlen gehen würde, um Eure Bücher zu lesen. Eure Fantasie ist gött-lich. Eure Geschichten sind die aufregendsten, die ich je gelesen habe. Ihr könnt nicht einmal ahnen, wieviel Freude Eure Romane mir gegeben haben.«
Eine Mischung von Furcht und Entzücken trieb Beatrice die Röte ins Gesicht. Sie sagte sich, daß sie diesen Moment der Entlarvung seit fünf Jahren befürchtet hatte. Aber um ehrlich zu sein, es war recht angenehm, nicht vorgeben zu müssen, daß sie nicht Mrs. York wäre.
»Mr. Lake, ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
»Saltmarsh. Graham Saltmarsh.«
»Ja, natürlich. Verzeiht mir, Mr. Saltmarsh. Keiner außerhalb meiner Familie und einem sehr engen Freund weiß, daß ich Romane schreibe.«
»Im Gegenteil, Mrs. Poole.« Er lächelte reumütig. »Ich fürchte, daß eine ganze Reihe von Leuten Euer Geheimnis kennt. Da wäre Euer Verleger und der Drucker-«
»Und der Lehrling des Druckers und zweifellos auch die Frau des Druckers.« Sie schnitt eine Grimasse. »Ihr habt ganz recht. Ich hatte nicht daran gedacht, daß ihnen jemand die Information entlocken könnte.«
»Ich bezweifle, daß irgend jemand außer mir versucht wäre, es zu probieren«, beschwichtigte sie Saltmarsh. »Ich glaube nicht, daß Euer Geheimnis allgemein bekannt wird. Bitte glaubt mir, daß ich es nie einer Menschenseele erzählen werde.«
»Danke, Mr. Saltmarsh. Ich werde besser schlafen können, wenn ich weiß, daß Sie nie ein Wort darüber verlauten lassen werden.«
Ein fanatisches Licht glänzte in seinen Augen. »Ihr könnt Euch absolut auf meine Diskretion verlassen, Madame.« »Darf ich fragen, warum Ihr mir heute hierher gefolgt seid, Sir?«
Er lief rot an. »Ich muß gestehen, ich habe Euch vorhin bemerkt, als Ihr in den Laden der Modistin gegangen seid. Ich konnte der Gelegenheit nicht widerstehen, für eine Weile in Eurer Gegenwart zu sein. Ihr seid meine Muse, Mrs. Poole.« »Eure Muse?« Beatrice war entzückt. »Wollt Ihr damit sagen, daß ihr Schriftsteller seid?«
»Ich bin noch nicht veröffentlicht worden, aber ich habe ein Manuskript, das ich, wenn es fertig ist, einem Verleger vorlegen will.«
»Ich wünsche Euch viel Glück, Sir.«
»Danke. Ich kann nur hoffen, daß ich eines Tages nur halb so fähig sein werde, die Art außergewöhnlicher Gefühle bei meinen Lesern zu erzeugen, wie Ihr bei Euren. Ich kenne keinen, der auch nur annähernd Euer Talent hat, die dunkleren Leidenschaften und schaurigen Atmosphären heraufzubeschwören.«
Beatrice errötete. »Oh, ich danke Euch, Sir.«
»Zusätzlich zur Lektüre Eurer Romane als Inspiration habe ich auch noch einige Stunden in Mr. Trulls Museum verbracht. Die Ausstellungsstücke liefern mir oft wunderbare Ideen für meine Geschichte. Seid Ihr mit diesem Etablissement vertraut?«
Irgend etwas klingelte bei Beatrice. Sie wußte, daß sie kürzlich
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