Im Sturm erobert
den Wald. Vor sich hörte er das Knacken gebrochener Äste. Seine Beute hatte zugunsten einer raschen Flucht aufgegeben.
Wenn er doch nur Elf bei sich hätte, dachte er. Der Hund hätte den fliehenden Beobachter in Sekunden zu Fall gebracht. »Leo, was machst du da?« fragte Beatrice streng. »Was geht hiervor?«
Es war, wie er feststellte, das erste Mal, daß sie ihn bei seinem Vornamen gerufen hatte. Die Wahl des Zeitpunkts hätte nicht unglücklicher sein können. Er hörte ihre Schritte im Gebüsch hinter sich.
Stiefel polterten durchs Unterholz. Ein erstickter Fluch tönte durch die Bäume.
»Steh still, du verfluchter Klepper.«
Leo hörte das Stampfen von Hufen und wußte, daß er seine Chance verpaßt hatte. Er blieb abrupt stehen.
Beatrice brach geräuschvoll aus einem kleinen Dickicht und stolperte gegen ihn. »Hoppla. Gütiger Himmel, Sir. Was ist denn los? Was habt Ihr gesehen?«
»Einen Mann.« Er drehte sich um und hielt sie fest. »Er hat uns beobachtet.« Er war kurzzeitig abgelenkt durch den Anblick von Beatrice. Ihre Wangen waren hochrot, und ihr modischer Hut hing schief über einem Auge. Blätter und Erde klebten an ihrem Kleid. »Leider war ich nicht nahe genug an ihm dran, um ihn zu erwischen, bevor er bei seinem Pferd angelangt war.«
»Ihr sagt, er hat uns beobachtet?« Sie rückte gedankenverloren ihren Hut zurecht, während sie versuchte, durch die Bäume zu spähen. »Ein Passant vielleicht? Ein neugieriger Junge, der Angst bekam, als Ihr ihn verfolgt habt ?«
»Nein.« Leo drängte sich durch eine Barriere von Ästen und sah den Platz, an dem das Pferd angebunden gewesen war. Er musterte den Boden, wo der Beobachter gestanden hatte. Die Erde war übersät von den Abdrücken von Männerstiefeln. »Ich glaube nicht, daß er zufällig vorbeigekommen ist, denn das hier ist offensichtlich ein Teil des Parks, der nur wenig benutzt wird. Wer immer es war, er ist einige Zeit hier gestanden.«
Beatrice sah den zertrampelten Boden an. »Glaubt Ihr, daß uns jemand absichtlich hierher gefolgt ist?«
»Ich weiß es nicht. Aber eines ist sicher.«
»Und das wäre?«
»Daß er gesehen hat, wie Ihr Euch mit einer Bordellbesitzerin getroffen habt. Soviel zu Eurem brillanten Plan, inkognito zu bleiben, Beatrice. Wir können nur hoffen, daß Euer Ruf nicht innerhalb einer Stunde dahin ist.«
Sie schenkte ihm ein brüchiges Lächeln. »Wenn mein guter Name so rasch zerstört ist, werdet Ihr dann Eure Einladung ins Theater zurückziehen?«
Es machte ihn wütend, daß sie die Sache so wenig ernst nahm. Aber er beherrschte sich wahrhaft heldenhaft. »Ich bin der Irre von Monkcrest«, erinnerte er sie. »Ich bezweifle, daß die Gesellschaft mich für noch exzentrischer halten wird, wenn ich eine ruinierte Frau ins Theater begleite.«
Kapitel 8
Ein böser Trank, gerührt von einer Skeletthand ... Kapitel acht, Die Ruine von Mrs. Amelia York
Beatrice’ Ruf war am nächsten Morgen noch intakt. Leo, der in einem Sessel vor dem Kamin im Kaffeehaus seines Clubs saß, ließ sich die Angelegenheit durch den Kopf gehen.
Einerseits war es eine Erleichterung, zu wissen, daß ihr guter Name sicher war, zumindest für den Augenblick. Aber diese Tatsache brachte auch unangenehme Aspekte mit sich. Es bedeutete, wer immer das Treffen zwischen Beatrice und Madame Tugend ausspioniert hatte, hatte Gründe, Schweigen zu bewahren.
Leo hatte den größten Teil der Nacht damit verbracht, zu überlegen, was diese Gründe sein könnten, und er hatte keinen von ihnen sonderlich beruhigend gefunden.
Er war in den Club gekommen, um Informationen zu erhalten, aber bis jetzt hatte er nur wenig erreicht. Er warf seinen Blick auf die Standuhr in der Ecke, denn er hatte versprochen, Beatrice in einer halben Stunde in Hook’s Buchladen zu treffen.
Er griff in die Tasche und holte den Brief seines Sohns Carlton, den er heute morgen erhalten hatte, heraus und entfaltete ihn. Er war sich vager Geräusche von gedämpfter Konversation und klirrendem Porzellan bewußt, während er las.
Haben heute morgen noch mehrere Ruinen besichtigt. William hat darauf bestanden, jede zu skizzieren. Zu meinem Bedauern muß ich sagen, daß sie für mich allmählich alle gleich aussehen. Ein uralter, zerbröckelnder Tempel ist vom anderen nicht zu unterscheiden.
Plummer hat uns nachmittags durch eine weitere Galerie geschleift. William verkündete, daß einige der Bilder (vor allem die, die nackte Göttinnen darstellten) recht interessant
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