Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)
war gezwungen, darin zu hausen. Eine Weile jedenfalls.
»Suze«, rief Jewel. »Bring mir ’ne Tasse Kaffee!«
»Was?«, brüllte Suze. »Ich versteh nichts, ich bin auf dem Klo.«
Nachdem Jewel noch ein paar Akkorde geschrammt hatte, gab er den Versuch auf, der alten Gitarre einen Song abzuringen und schob sie unters Sofa. Er trug ein ärmelloses rotes Hemd, eine glänzende schwarze Hose und spitze Cowboystiefel. Auf dem nackten linken Bizeps war ein verwischtes Kreuz mit sternförmigen Spitzen in die blasse Haut tätowiert. Die langen blonden Haare waren zu einer fettigen Tolle zurückgekämmt, die schon zum Zeitpunkt seiner Geburt aus der Mode gewesen war. Jewel hatte jedoch bei seinen nächtlichen Heldentaten ein Bild von sich entworfen, bei dem die altmodische Frisur ein entscheidendes Merkmal darstellte.
Er rief noch einmal nach Suze. »Dann runter vom Klo! Und bring mir ’ne Tasse Kaffee, verstanden?«
»Eine Tasse?«
»Ja, ’ne Tasse Kaffee, verdammt noch mal!«
Vielleicht hätte er sie doch nicht mitnehmen sollen, überlegte Jewel. Dann hätte sie sich den Rest ihres Lebens in der Imbissbude vor Fettspritzern ducken können. Dafür sorgen, dass die Schweinefarmer am Samstagabend im Autokino ihren Spaß hatten, und sich dabei fragen, warum ihr Jewel Cobb durch die Lappen gegangen war. Das wäre wahrscheinlich das Richtige gewesen. Er hatte ihr die große Welt gezeigt, sie mit nach Saint Bruno genommen, einer Stadt voller Möglichkeiten – und war sie dankbar dafür?
Nicht im Geringsten. Sie lackierte lieber jeden Zehennagel in einer anderen Farbe oder zählte die Tauben unter der Brücke, statt zu lernen, wie man eine anständige Mahlzeit kocht. Viele Frauen wussten Sachen, von denen Suze keine Ahnung hatte, und vielleicht sollte er sich nicht länger mit ihrer Faulheit abfinden, sondern seinen Krempel zusammenpacken und sich woanders umsehen.
Tja, andererseits konnte er sie jetzt nicht einfach so sitzenlassen. Er war nach Saint Bruno gekommen, um sein Leben zu verändern, mit beiden Händen tief in den sagenumwobenen Geldtopf dieser Stadt zu greifen, und wenn sein Vetter Duncan ihn nicht verarscht hatte, dann war heute vermutlich der erste Abend, an dem er das süße neue Leben kosten konnte.
Jewel erhob sich und schaute aus dem Fenster hinaus auf die Voltaire Street, eine Straße mit Elektrogeschäften, Discount-Kleiderläden, einer Billardhalle namens Chalk & Stroke, einem Kautionsbüro und zwei Friseurläden, die sommerliche Haarschnitte und granitharte Dauerwellen versprachen.
»Ich lass’ den Kaffee für dich abkühlen, Jewel.« Man hörte Suzes Stimme, ehe sie selbst das Zimmer betrat. An ihrem lasziven Gang merkte man, wie sehr solche banalen physischen Tätigkeiten sie anödeten. Sie wollte den Eindruck vermitteln, dass ihr Körper für Besseres bestimmt war – womit sie auch recht hatte. Suze war immer noch anfällig für Pickel, und mehrere rosarote Make-up-Flecken markierten die jüngsten Schlachtfelder. Die schwarzen Haare fielen wirr über ihre Schultern, wobei sich die längeren Strähnen im tiefen Ausschnitt ihres geblümten Sommerkleids verfingen.
Suze stellte die Tasse auf die Sofalehne. »Die meisten Leute wollen heißen Kaffee. Aber du hast dir bestimmt mal im Suff auf ’nen Nerv gebissen oder so, weil’s bei dir genau andersrum ist.«
»Ich will ihn ja auch trinken, mein Schatz, nicht nur dran rumnuckeln. Das wär ja so, als ob mir schon die Zähne wackeln würden und ich gar nicht mehr aus dem Schaukelstuhl hochkomme.«
»Manche Leute tun sogar Eis rein. Wie in ’ne Cola.«
»Was du nicht sagst«, brummte Jewel. »Hab ich irgendwo schon mal gehört. Bei Walter Cronkite wahrscheinlich.«
Suze ließ die Schultern noch tiefer hängen als üblich. »Du sollst dich nicht über mich lustig machen«, sagte sie. »Alle machen sich lustig über mich.«
»Hmm«, knurrte Jewel, nahm die Kaffeetasse und leerte sie in einem langen Zug. Dann fiel ihm Duncan wieder ein.
»Wie spät ist es?«, fragte er.
Suze grinste ihn unschuldig an, die Hände dabei aufreizend in die Hüften gestemmt. »Noch nicht zu spät, wenn du in Form bist, Hillbilly.«
»Ich bin immer in Form«, entgegnete Jewel grinsend. Er betatschte, immer noch lächelnd, seine Frisur. »Du weißt, dass ich immer in Form bin, aber was sagt die Uhr?«
»Ungefähr Viertel nach acht.«
Jewel spähte hinaus auf die Straße. Die Häuser verdeckten die Strahlen der untergehenden Sonne, wodurch die ganze Szenerie noch
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