Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)
sieht’s aus wie in Willow Creek, nur mit Wasser statt mit Bergen«, meinte Jewel.
»Ist aber nicht Willow Creek. Und die Leute sind auch nicht wie die daheim.«
Sie fuhren unter einer Eisenbahnbrücke hindurch. Das Tageslicht wich der Dunkelheit. Nach der Brücke begann Duncan die kleinen Feldwege zu zählen. Beim dritten bog er in Richtung Wasser ab. Auf beiden Seiten war glucksender, stinkender Sumpf. Bald tauchte ein gelber Lichtschein auf, dann ein weiteres Licht, das sich im Wasser vor einer Pier spiegelte.
»Da wären wir«, sagte Duncan. Er stellte den Motor ab, machte die Scheinwerfer aus und sah Jewel an. »Das Bier lässt du im Wagen. Pete Ledoux ist ein erwachsener Mann, der hat was gegen solche Mätzchen. Jedenfalls würd ich dafür meinen Kopf verwetten, wenn ich müsste.«
»Dann kann er mich mal.«
»Ich würd lieber unterm Scheißhaus campieren, als mich mit Pete Ledoux anlegen, Freundchen. Mach nur so weiter, Jewel. Nur weiter so.« Duncan seufzte, ein sorgenbeladener Mann. »Wenn du nicht mit mir verwandt wärst, würd ich dir jetzt ’ne Abreibung verpassen.«
»Ich brauch die Kohle, das ist alles.«
»Dann benimm dich entsprechend. Du hast hier ’ne erstklassige Chance, du Schwachkopf. Das hier ist nicht die jährliche Dorfschlägerei zwischen Willow Creek und Mountain Grove, Jewel. Wir wollen ’nen Typen kaltmachen und sein Fell an die Scheunenwand nageln. Das wird manchen Leuten nicht gefallen, kapiert? Wehe, du vermurkst das.«
»Schon gut«, sagte Jewel. Er schob trotzig den Unterkiefer vor, als wäre so etwas für ihn ein ganz alltägliches Unternehmen. »Nörgel bloß nicht an mir rum, Dunc. Du weißt genauso gut wie ich, warum ich hier bin.«
»Erklär’s mir noch mal.«
»Weil ich treffe, wenn ich schieße. Deshalb bin ich hier.«
Duncan sah Jewel an, dann grinste er stolz.
»Du bist nicht besonders clever, Jewel, aber man kann auch nicht behaupten, dass du dumm bist.« Er öffnete die Wagentür. »Also los.«
Ledoux’ Haus war ein kompaktes, winterfestes Wochenendhaus, umgeben von geschlossenen Veranden. Von der Hintertür führte ein mit Planken ausgelegter Pfad hinunter zu der gut fünfzehn Meter entfernten Pier.
Duncan klopfte.
Eine Frau mit hübschem, leicht aufgedunsenem Gesicht und wirren blonden Haaren öffnete die Tür. Die Veranda hinter ihr war vollgestopft mit Angelgerät, Milchtüten und Sportzeitschriften. Die Frau sah aus, als würde sie’s drauf anlegen, ständig enttäuscht zu werden. In der Hand hielt sie eine Bierdose. Sie musterte erst Duncan, dann Jewel.
»Na, so was«, sagte sie. »Wir kriegen hier nicht oft Besuch von Lexikon-Verkäufern.«
»Glaub ich sofort«, meinte Duncan. »Ich würd gern mit Pete sprechen.«
»Ich hätt sowieso keins gekauft, höchstens ein paar von den Bildern ausgeschnitten.« Die Frau machte eine Kopfbewegung zu dem Licht hin, das auf dem Wasser leuchtete. »Der heilige Franziskus vom Marais du Croche ist da unten und redet mit den Fischen.«
Duncan lächelte sie an. Sie war eine gutaussehende Trinkerin, mit der es rapide bergab ging. Solche Frauen waren normalerweise genau sein Typ, aber die hier gehörte Pete.
»Danke.«
»Wollt ihr ein Bier oder so?«
»Nein, danke.«
»Umso besser, wir haben sowieso keins übrig«, sagte sie und schloss die Tür.
Der Holzsteg schwankte unter ihren Schritten, als sie zur Pier gingen. Der Lichtstrahl tanzte auf dem Wasser und erhellte den morastigen, brackigen Sumpf.
»Hey, Pete«, rief Duncan. »Ich hab meinen Vetter Jewel mitgebracht!«
»Hiya«, antwortete Pete und leuchtete Jewel ins Gesicht.
Jewel versuchte, seine Augen mit der Hand zu schützen, dann wandte er das Gesicht ab.
»He, Mann! Haben Sie das von den Bullen gelernt oder was?«
Pete richtete den Lichtstrahl nun zwischen sich und Duncan.
»Ziemlich hässlicher Vogel, das Bürschchen«, meinte Pete.
Die beiden behandeln mich nicht grade mit Respekt, dachte Jewel. Er hatte sich schon mal mit zwei Männern gleichzeitig angelegt, die beide stärker gewesen waren als die hier. Damals war er in Memphis auf ’ner Sauftour mit drei Kahnführern zusammengerasselt, und er hatte es ziemlich gut überstanden, nachdem man seine Zunge wieder zusammengenäht hatte.
»Ich bin kein Bürschchen«, protestierte er und hob sein Hemd, sodass der Pistolengriff zu sehen war. »Sehen Sie das? Ist ja wohl Beweis genug, dass ich kein Bürschchen bin. Sind sogar sechs Beweise.«
Ledoux tauschte düstere Blicke mit Duncan. Dann
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