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Im Tal der bittersüßen Träume

Im Tal der bittersüßen Träume

Titel: Im Tal der bittersüßen Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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überzogen. Es war ein medizinisches Rätsel, wie er den Weg nach Santa Magdalena hatte überstehen können.
    Der Wettlauf war fast verloren, als Dr. Högli endlich das Hospital erreichte. Die bremsenden Räder des Jeeps überschütteten die vor der Ambulanz wartenden Indios mit einer riesigen Staubwolke. Sie zogen die Sombreros tiefer ins Gesicht und die Ponchos höher über die Schulter, hielten den Atem an und warteten, bis die Masse des Staubes über sie hinweggezogen war. Dreihundert Frauen, Kinder und Männer standen vor dem Hospital, seit drei Stunden, mit der rätselhaften Geduld von Eseln.
    Juan-Christo hatte bekanntgegeben, daß es gelungen sei, aus dem Brunnen und seinem noch immer nicht ganz reinen Wasser zweihundert Liter abzukochen und damit trinkbar zu machen.
    Es war, als feiere das Dorf zum zweitenmal das heilige Marien-Fest. Wasser für jeden! Nur einen Becher voll. Lauwarmes, schales Wasser … aber es war Flüssigkeit, die man im Gaumen wenden konnte, ehe man sie herunterschluckte. Es war Leben, das man ganz langsam in sich hineinfließen lassen konnte, genußvoll, fast betäubend. Unbeschreiblich schöner war das, als bei einer zärtlichen Frau zu liegen, und – Amigos! – was gibt es sonst noch sinnbetörenderes als ein leidenschaftliches Weib?
    Einen Becher Wasser für jeden! Ganz Santa Magdalena pilgerte, wie bei der Marienprozession, zum Hospital. Und so erlebten sie auch alle die Ankunft des mit Ölfarbe lackierten Paters Felix, seine lauten, pfeifenden Atemstöße, seinen weit aufgerissenen, schrecklich verzerrten Mund, die angstvoll hervorquellenden Augen und die ganze Hilflosigkeit eines Menschen, der an einem Kilo Farbe zugrunde geht.
    »Äther!« brüllte Högli, als sie Pater Felix in den OP trugen. »Schafft sofort alles her, was wir an Äther haben!«
    Juan-Christo starrte ihn ungläubig an, dann rannte er zum Narkoseschrank und entnahm ihm die dunkelbraunen Flaschen, dazu eine Tropfmaske.
    »Idiot!« schrie Högli. »Keine Narkose. Watte! Zellstoff!«
    Mit Hilfe von drei Indios hatte er Pater Felix auf den Tisch gelegt. Jetzt riß er ihm Evitas Kleid vom Körper herunter.
    Erst da sah er das ganze Ausmaß der Katastrophe: die fast völlig mit grüner Ölfarbe überflossene Haut, zwischen die sich schreiend grell das Blau und das Rot mischten. Der Kopf leuchtete zitronengelb, die mit Farbe vollgesogenen Haare lagen um das Gesicht wie ein gehämmerter Helm.
    Dr. Högli beugte sich über Felix Moscia. Seine dunkelbraunen Augen starrten ihn in höchster Todesangst an. Jetzt mußt du etwas sagen, dachte Högli. Etwas ganz Dummes, Idiotisches, aber es muß ihm das Gefühl geben, daß du die Lage beherrschst. Auch ein Priester hat Angst vor dem Sterben, wer kann ihm das übelnehmen? Gottes Wort allein macht einen Menschen nicht gefühllos.
    Matri war plötzlich neben ihm, eine Injektionsspritze in der Hand, reichte sie ihm hin. Dazu den Kasten mit den Ampullen, geordnet nach Indikationen. Dr. Högli zog eine Ampulle mit einem Herz- und Kreislaufmittel auf, drückte die Luft aus dem Kolben und injizierte. Er stieß die Nadel durch die grüne Ölfarbe; man hatte keine Zeit mehr, an diesem lackierten Körper nach einer farbfreien Stelle zu suchen.
    »Als junger Assistent war ich für ein halbes Jahr auf einer Missionsstation in Neu-Guinea«, sagte er mit mühsam fester Stimme. »Da liefen die Papuas genauso irr bemalt herum wie Sie, Felix. Waren Sie etwa auch mal auf Neu-Guinea?«
    Pater Felix verstand ihn. Er versuchte zu lächeln, es wurde eine schreckliche Fratze daraus. Sein rot-gelb-grün-gestreiftes und getupftes Gesicht glich wirklich einer urweltlichen Göttermaske. Er bemühte sich zu sprechen, Högli sah, wie er nach den Worten rang, nach dem bißchen Luft, das ein paar Töne brauchten.
    »Ich war – als junger Missionar – auf – Feuerland …« keuchte er. Dann quollen seine Augen wieder aus den Höhlen. Luft! Gott im Himmel Luft!
    »Feuerland! Sieh an!« Högli ballte eine Lage Zellstoff zusammen. Juan-Christo stand hinter ihm und band ihm ein Mundtuch um, ein lächerlicher Schutz gegen den Äther, den Högli gleich in verschwenderischem Maße ausschütten würde. Aber wenn man Glück hatte, überstand man ein paar Minuten lang die eigene Narkose. Mit einem Plop fuhr der Gummistöpsel aus dem Flaschenhals. Sofort roch es widerlich süß und penetrant nach Äther, ein Geruch, an den sich Högli nie hatte gewöhnen können. »Die Feuerländer«, sagte er hinter seinem

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