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Im Tal der bittersüßen Träume

Im Tal der bittersüßen Träume

Titel: Im Tal der bittersüßen Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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in seinen aufgerissenen Mund, lief den Hals hinunter über die nackte Brust. Irgend jemand hatte ihm das Hemd vom Leib gerissen, als könne er ihn damit aus der Betäubung wecken.
    »Wir schaffen es, Señorita«, stammelte Juan-Christo. Er pumpte die heiße Luft in sich hinein und fing Matri auf, die gerade aus dem Haus taumelte. »Wir schaffen es. Wir haben die Brust schon frei. Jetzt sind sie an den Armen und Beinen. Es geht mit Äther, mit dem verdammten Äther. Es geht …«
    Eine süßliche, ekelhafte Wolke schlug Evita entgegen, als sie in das Hospital rannte. Sie drängte sich durch die Schlange der wartenden Indios, bekam von irgend jemandem ein nasses Tuch, flinke Hände verknoteten es hinter ihrem Kopf, und dann stand sie am Tisch, Felix grünschillernder Körper lag vor ihr, sie griff nach dem Zellstoffballen, den man ihr anreichte und rieb die Farbe von den Oberschenkeln.
    Über ihr drehten sich die großen Flügel des Ventilators, alle Fenster waren aufgerissen, doch was nutzte das? Die heiße Luft staute sich, und wo die rotierenden Flügel sie packten, wurde sie nur umeinandergewirbelt und mit dem Ätherdunst vermischt. Als betäubende Wolke sank sie dann über den Tisch zurück und griff die verzweifelt bemühten Menschen an.
    Pater Felix war längst narkotisiert und atmete mit Röcheln und Schnarchtönen. Die kräftige Kreislaufinjektion hatte den Tod, der durch diese Überdosis von Äther hätte einsetzen können, bis jetzt verhindert, aber mit jeder Minute wurde sein Herzschlag schwächer, sein Atem flacher.
    »Ans Fenster!« hörte Evita eine Stimme neben sich. »Er muß ans Fenster!«
    Durch einen Nebelschleier erkannte sie Dr. Högli. Sie lehnte sich gegen einen Indio, der ihr ein neues nasses Tuch gegen den Mund hielt, und nahm alle Kraft zusammen, um nicht die Besinnung zu verlieren. Sechs Indios hoben den nackten Pater vom Tisch und trugen ihn zum offenen Fenster. Dort hielten sie ihn in liegender Stellung fest, ein lebender Tisch, während Dr. Högli mit einer Herzmassage begann und Juan-Christo neben ihm weiter den Unterleib von der grünen Farbe säuberte.
    »Er hält durch!« keuchte Högli, sein Gesicht glänzte vom Schweiß. »Er muß durchhalten! Matri! Matri! Noch eine Injektion! 5 ccm!«
    Evita lehnte aus dem Fenster und saugte die ätherfreie Luft ein. Sie spürte, wie der süße Nebel verwehte, wie die Welt aus Watte wieder eine Welt aus Tönen und Formen wurde.
    »Warum nimmst du denn keinen Sauerstoff?« rief sie. »Du hast doch drei Flaschen in der Ecke stehen …«
    Dr. Högli trat zurück. Juan-Christo beugte sich über Pater Felix und versuchte eine Mund-zu-Mund-Beatmung. »Sauerstoff!« Dr. Högli beugte sich aus dem Fenster. Sein Atem rasselte. »Ich habe den letzten Rest für den Kaiserschnitt gebraucht. Die Flaschen sind leer. In Nonoava stehen sie herum, wir brauchen sie nur abzuholen … nur abzuholen …«
    Evita verstand. Was Paddy tat, machte er gründlich. Er mordete nicht mit eigener Hand; er sorgte nur dafür, daß die Menschen von Santa Magdalena am Nichts zugrunde gingen.
    »Ich werde mit Paddy sprechen«, sagte sie laut. Dr. Högli schüttelte den Kopf. Die Schweißperlen sprühten von ihm, als schüttle ein nasser Hund sich ab.
    »Hier geht es nicht mehr um schöne Worte, hier geht es ums Ganze!«
    »Sollen wir denn alle verrecken, Riccardo?« schrie Evita.
    »Ja!« Er blickte hinüber zu Pater Felix. Die Indios hatten ihn jetzt durch das Fenster geschoben. Innen hielten drei Mann seine Beine, draußen stützten vier Indios Kopf und Oberkörper. Es sah aus, als liege er unter einer Guillotine.
    »Er atmet schon besser!« keuchte Juan-Christo. Er schwankte wie ein Betrunkener. »Er bekommt wieder Luft!«
    Vom Brunnen brachten drei Indios in schnellem Lauf einige Eimer mit dem ungereinigten Wasser. Wie sinnlos war jetzt Hygiene … wichtig waren allein Nässe, Kühle, der Schock, der Herz und Lunge zwang, zu reagieren und zu rebellieren.
    Atme, Padre, atme! Bei Gott, bei Christus, bei der leidenden Mutter Maria und allen Heiligen: Atme endlich, Padre mio!
    Nach zwei Stunden lag Felix Moscia in einem Bett neben Dr. Höglis Zimmer. Sein Körper war zwar noch grün, aber die Farbe war doch soweit weggewischt oder aufgelöst, daß seine Haut wieder atmen konnte. Er hatte noch drei Herzinjektionen bekommen, denn schlimmer als die Gefahr des Erstickens war jetzt die Überdosis an Äther, die er eingeatmet hatte. Dr. Högli hatte ihn außerdem noch an eine

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