Im Tal der bittersüßen Träume
Tropfinfusion angeschlossen; langsam flossen Traubenzucker, Kalzium und Kochsalzlösung, vermischt mit konzentrierten Vitaminen, in die Vene. Auch diese Infusionsflaschen hatte Dr. Högli aus Chihuahua herangeholt. Sie lagerten in einem winzigen Kühlraum und wurden von den Indios mit scheuer Bewunderung betrachtet, wenn einer aus ihrer Familie so ein Ding am chromblitzenden Galgen über sich hängen hatte.
Aus einer Flasche, einem Schlauch und einer Nadel fließt neues Leben in die Adern. Das war für sie ein Wunder, unbegreiflich und doch anzufassen. Madre de Dios, wie nahe stand der Doktor doch Gott!
Pater Felix röchelte und schnarchte in seiner gewaltigen Narkose. Müde, ausgelaugt, aber glücklich saßen Dr. Högli und Evita Lagarto neben seinem Bett, kontrollierten den Puls, hörten den Herzschlag ab und achteten auf die immer gleichmäßiger werdende Atmung. Juan-Christo war nach dem Ausruf Höglis: »Wir haben ihn durch!« umgefallen. Vier Indios trugen ihn in sein Zimmer neben der Ambulanz und legten ihn auf das harte Bett. Dort lag er jetzt wie ein Toter, Matri massierte mit nassen Händen seine Brust und kühlte seine Stirn.
Und als er, immer noch regungslos und mit geschlossenen Augen, auf keine Frage, keinen Anruf antwortete, zog Matri ihr geblümtes Kattunkleid über den Kopf, übergoß sich mit einem Kübel des ungereinigten Wassers und legte sich neben Juan-Christo auf das Bett. Sie preßte ihren glatten, kühlen Körper eng an ihn, als wolle sie sich völlig mit ihm vereinen.
Juan-Christo bewegte sich langsam. Seine zittrige Hand glitt über Matris nackte Haut, über die Rundungen ihrer jungen Brüste und die flache Wölbung ihres Leibes. Die Zärtlichkeit wurde endlich zum mächtigen Strom, der neue Kraft in seinen vor Schwäche fast zerfließenden Körper trug.
»Matri«, sagte er mit schwerer Zunge. »Matri, was tust du?«
»Auch du mußt weiterleben, Juanito. Du kannst nicht so einfach einschlafen und nicht mehr sein. Ich liebe dich … du mußt bei mir bleiben … du mußt bei mir bleiben …«
»Das Wasser.« Juan-Christo riß die Augen auf. Es war eine Anstrengung, als wälze er einen Felsblock von seinen Lidern. »Matri, das Wasser! Du hast das Wasser für zwei Tage gestohlen!«
»Für dich, Juanito. Für dich.«
Sie kroch über ihn wie eine braune, zärtliche Schlange und lag auf ihm, und die Kühle ihrer nassen Haut war wie das Leben selbst.
Als er noch etwas sagen wollte, preßte sie ihre kleinen Hände auf seinen Mund und küßte seine Augen, sein Gesicht, seine Schulter. Ihre kalten, schnellen Lippen glitten über ihn und küßten Stück für Stück das Leben in seinen Körper zurück.
»Du mußt leben«, sagte sie. Immer nur: »Du mußt leben!« Und Juan-Christo streckte sich und fiel in einen kräftigen gesunden Schlaf.
Dr. Högli hatte es schwerer als sein Krankenpfleger Ximbarro. Er vertrieb seine lähmende Müdigkeit mit verdünntem Kakteenschnaps, den ihm eine Indiofrau noch während des Kampfes um Pater Felix' Leben gebracht hatte. Es war ein höllisches Gesöff, aber es brannte in ihm alles weg, was wie ein Bleistrom durch ihn floß. Nach drei Gläsern, gemixt mit Fruchtsaft aus Dosen, spürte er, wie sein Hirn wieder klarer wurde. Aber nun wurde sein Blick stier, der Alkohol übernahm die Rolle der Müdigkeit. Evita hatte mit dem letzten gefilterten Wasser eine große Kanne starken Kaffee gekocht. Högli trank alles in sich hinein, als sei er ein Schlauch, der einen Riesenbehälter zu füllen hatte.
Nach vier Stunden war Pater Felix außer Gefahr. Die Atmung war kräftig, der Herzschlag fast wieder normal. Wenn er aus der tiefen Narkose erwachte, würde er sich den Magen auswürgen und so lange brechen, bis nur noch heiße Luft kam. Im Augenblick war nichts mehr zu tun.
»So kann es nicht weitergehen«, sagte Evita leise. Sie saß neben Högli; er hatte seinen Kopf gegen ihre Schulter gelehnt und starrte gegen die getünchte, fleckige Wand. »Riccardo, das halten wir keine zwei Wochen mehr aus.«
»Das ist sicher.« Er schloß die Augen, sein Kopf wurde schwerer. Sie legte den Arm um ihn und hielt ihn fest, damit er nicht nach vorn vom Bett fiel. Neben ihnen röchelte Pater Felix und begann sich unruhig zu bewegen. Die Phase des Erwachens nahte.
»Wir können uns doch nicht wehrlos umbringen lassen, Riccardo. Wir müssen aus Santa Magdalena heraus, wir müssen Hilfe holen!«
»Ich habe keine Waffen gegen Jack Paddy«, sagte Dr. Högli matt. Der Kampf zwischen
Weitere Kostenlose Bücher