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Im Tal der Giganten

Im Tal der Giganten

Titel: Im Tal der Giganten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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aufmerksam den Himmel
und danach den Strand ab. Erst als Mike in die Luke
hinabzuklettern begann, folgte er ihm. Eine Welle
wohltuender Wärme schlug Mike entgegen, als er in den
Turm der NAUTILUS hinabstieg. Die beiden fast
mannsgroßen Bullaugen waren mit Eisblumen bedeckt, so
daß es hier drinnen merklich dunkler als draußen war, und
nach der Eiseskälte draußen kam ihm die Luft hier
drinnen, die immer ein wenig nach Metall und Öl roch,
beinahe stickig vor. Trotzdem atmete er ein paarmal sehr
tief ein und spürte, wie sich die Wärme allmählich in
seinem Körper auszubreiten begann. Singh schloß die
Luke sorgfältig über sich und verriegelte sie.
    Mikes Finger waren noch immer so steif vor Kälte, daß
Singh ihm dabei helfen mußte, die schwere Pelzjacke
auszuziehen, und als das Gefühl schließlich in sie
zurückkehrte, geschah es auf eine äußerst schmerzhafte
Weise. Zuerst verspürte er ein Kribbeln, dann ein Pochen,
und endlich taten sie so weh, daß ihm fast die Tränen in
die Augen schössen. Er zitterte am ganzen Leib, als er fünf
Minuten später den großen Salon der NAUTILUS betrat.
    Trautman war nicht der einzige, der auf ihn wartete. Mit
Ausnahme Juans, der heute Küchendienst hatte und seit
dem frühen Vormittag bereits sein möglichstes tat, um die
Kombüse zu verwüsten, saßen alle an dem großen Tisch
neben dem Aussichtsfenster und redeten. Mike hatte ihre
aufgeregten Stimmen bereits draußen auf dem Korridor
gehört. Bei seinem Eintreten unterbrachen sie ihr
Gespräch jedoch, und für eine Sekunde verspürte Mike
das ganz und gar nicht angenehme Gefühl, von jedermann
angestarrt zu werden. Selbst Astaroth, der unter dem Tisch
hockte und vor sich hin döste, hob für einen Moment den
Kopf und blinzelte ihn aus seinem einen Auge träge an.
Hinter ihm bewegte sich ein zweiter, etwas kleinerer
Schatten: Isis, die schwarzweiße Katze, die vor einer
Weile gegen Astaroths ausdrücklichen Willen an Bord gekommen war und dem einäugigen Kater seither nicht von
der Seite wich. Wenn man genau hinsah, konnte man
hinter den beiden eine Anzahl noch kleinerer, pelziger
Umrisse erkennen. Isis hatte vor einem Monat vier Junge
bekommen, was Astaroths Beteuerungen, daß er sie nicht
ausstehen konnte und sie ihm unglaublich auf die Nerven
gehe, ein wenig an Glaubwürdigkeit nahm.

»Was ist los? Ihr seht mich alle an, als wäre irgendetwas
passiert«, sagte Mike, während er sich dem Tisch näherte.
Sein Blick blieb an einer dampfenden Kanne hängen, aus
der es verlockend nach frischgebrühtem Tee roch.
Trautman griff kommentarlos nach ihr, schenkte eine
Tasse ein und drückte sie Mike in die Hand, während sich
dieser setzte. Mike nahm sie dankbar entgegen, nippte
vorsichtig an dem heißen Getränk und schloß die Hände
um die Tasse, um die Wärme zu genießen, die das
Porzellan ausstrahlte. »Ich möchte nur wissen, was du dort
draußen suchst«, sagte Ben. »Die Insel ist leer. Hier lebt
garantiert niemand mehr. «
    »Und wer hat den Funkspruch geschickt, den wir aufgefangen haben?«
Ben machte eine wegwerfende Geste. »Das ist mittlerweile eine Woche her«, sagte er. »Seitdem haben wir
nichts mehr gehört. Wahrscheinlich sind sie längst erfroren. Und selbst wenn nicht - wir sind ja nicht einmal
ganz sicher, ob die Koordinaten stimmen. « Zumindest in
diesem Punkt mußte ihm Mike beipflichten, auch wenn er
nicht in der Stimmung war, dies laut zu tun. Der
Funkspruch, den Singh aufgefangen hatte, war
verstümmelt gewesen. Sie hatten nur die ungefähren
Längen- und Breitengrade schätzen können und waren
mehr oder weniger auf gut Glück losgefahren, und diese
Insel im ewigen Eis hatten sie erst nach beinahe einer
Woche gefunden. Trotzdem widersprach er: »Das Boot
auf dem Strand -«
»- kann seit zwanzig Jahren dort liegen«, unterbrach ihn
Ben. Er schüttelte heftig den Kopf. »Wenn ihr mich fragt,
ist es vollkommen sinnlos, länger hierzubleiben. Selbst
wenn es die richtige Insel ist, sind sie garantiert schon tot:
Hier ist es so kalt, daß niemand eine Woche unter freiem
Himmel durchhält. « »Vielleicht haben sie sich weiter ins
Innere zurückgezogen«, sagte Mike störrisch. »Die Insel
muß sehr groß sein. «
»Blödsinn«, antwortete Ben überzeugt. »Wenn du
Schiffbruch erleidest und einen Notruf absetzt, würdest du
dann etwa nicht das Meer beobachten? Sie hätten uns
längst gesehen und sich irgendwie bemerkbar gemacht. «
Leider hat er auch damit recht, dachte Mike. Es

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