Im Tal der Schmetterlinge
erlöst.«
»Dann hörte ich die Pferde, und als ich hochblickte, sah ich Valentine und Gus, die auf ihren Tieren saßen und mit geladenen
Gewehren auf meinen Vater zielten, so wie er seines auf sie gerichtet hatte. Valentine sagte: ›Leg die Waffe weg.‹ Als sich mein Vater nicht rührte, schoss er, jedoch nicht um ihn zu verletzen, sondern über seinen Kopf hinweg, zur Einschüchterung. Hat das Fenster dort getroffen.«
Ich sah zum Fenster hinüber. Was auch immer von der Scheibe übrig gewesen sein mochte, war längst aus dem Rahmen getreten worden.
»Mein Vater hat zurückgeschossen und Gus am Arm getroffen, so dass er vom Pferd fiel. Ich kroch zu ihm und sah sein Gewehr auf dem Boden neben ihm im Gras glitzern.«
Wir horchten beide auf, als ein Wasserbomber tief über unseren Köpfen hinwegflog und ein durchdringendes Warnsignal ausstieß, gleich einer Sirene bei einem Luftangriff, die uns nachdrücklich aufforderte, schnellstmöglich zu verschwinden. Jeremy hielt sich schreiend die Ohren zu. Ich umarmte ihn und drückte seinen Kopf an meine Brust. »Wir müssen von hier weg, Mom.«
»Ich muss das Gewehr aufgehoben haben, obwohl ich keinerlei Erinnerung besitze, einen Schuss abgegeben zu haben, ebenso wenig wie ich mich erinnern kann, den Hahn mit der Axt getötet oder gestern das Kalb erschossen zu haben.« Sie sah auf ihren Blitzarm, ballte die Hand zur Faust und spreizte die Finger, als hätte sie dort Schmerzen. »Aber Gus und Valentine haben mir erzählt, dass ich abgefeuert und meinen Vater zweimal getroffen habe, einmal in die Brust und einmal in den Kopf. Ich erinnere mich jedoch, wie ich mit dem geladenen Gewehr auf ihn zugegangen bin. Der Lauf in meinen Händen hatte sich immer noch heiß angefühlt.«
Sie wandte sich um und schlenderte durchs Haus. Nach einem kurzen Augenblick folgte ich ihr mit Jeremy auf dem Arm. Sie blieb in dem kleinen Raum stehen, der als Badezimmer
gedient hätte, mit dem gemalten Spiegel und dem Gesicht an der Wand. Wie viel Zeit hast du hier mit Warten vergeudet?
»Nachdem ich die Schüsse abgefeuert hatte, trat meine Mutter aus dem Haus, stand auf der Veranda und blinzelte in die Dunkelheit. Val kam wenige Sekunden nach ihr heraus. Keiner von ihnen konnte uns vom Haus aus sehen, da das helle Licht im Hof sie blendete. Meine Mutter fragte: ›Was ist los?‹ - ›Ich habe gerade einen Puma erschossen‹, rief Valentine. ›Wahrscheinlich ist er vom Geruch des Bluts angelockt worden, aus Gus’ Wunde, und hat uns bis hierher verfolgt. John hat Gus am Arm verletzt, als wir oben in den Bergen waren. Wir müssen ihn ins Krankenhaus bringen.‹ Er half Gus zum Haus. Ich blieb, wo ich war, und starrte auf den Leichnam meines Vaters. Mom fragte: ›Aber wo ist John?‹ - ›Er ist immer noch in den Bergen‹, erwiderte Valentine. ›Du und Beth bringt Gus ins Krankenhaus, damit er versorgt wird. Ich rufe bei der Polizei an und erzähle ihnen, was geschehen ist. Anschließend reite ich zurück in die Berge, um nach John zu suchen.‹ - ›Ich will nicht, dass du allein gehst‹, sagte meine Mutter. ›Ich warte, bis die Polizei und der Rest des Suchtrupps hier ist.‹ Mom brachte Gus ins Haus, um sich um seinen Arm zu kümmern, und Valentine kam zurück aufs Feld, zu mir. ›Beth‹, sagte er und zwang mich, ihn anzusehen. ›Du fährst jetzt mit deiner Mutter und begleitest Gus ins Krankenhaus. Er wird schon wieder.‹ Dann zeigte er mit dem Kopf auf den Leichnam meines Vaters. ›Kein Wort darüber, zu niemandem, niemals. Verstanden? Es war ein Puma, den wir heute Nacht hier erschossen haben.‹«
»Er hat deine Mutter angelogen«, sagte ich. »Um dich zu schützen.«
»Er hat gelogen, um meine Mutter zu schützen. Er hat die
Leiche meines Vaters in dem alten Brunnen vergraben, damit Maud nicht erfuhr, was ich getan oder weshalb ich es getan habe. Er wusste, dass ansonsten alles ans Licht gekommen wäre. All die Leiden, die mein Vater mir und Val zugefügt hatte.«
»Deine Mutter muss doch etwas geahnt haben!«
»Sie hatte nichts wissen wollen. Und ich auch nicht, andernfalls hätte ich die Anzeichen bei Val schon viel früher bemerkt. Valentine hat mich gezwungen, die Augen nicht länger vor der Wahrheit zu verschließen. Du weißt nicht, wie es sich anfühlt, mit dem Wissen zu leben, was Val meinetwegen durchmachen musste. Wie hätte sich das meine Mutter verzeihen können? Wie hätte sie mir jemals vergeben können?«
»Oh, Mom, du warst nicht verantwortlich für
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