Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Im Tal der Schmetterlinge

Titel: Im Tal der Schmetterlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gail Anderson-Dargatz
Vom Netzwerk:
er, er hätte ihn für Notfälle dort hineingelegt. Er versteckte Geld, damit ich es nicht ausgeben konnte. Das tat weh. Von nun an durchsuchte ich die Taschen seiner Kleidung immer äußerst genau, bevor ich sie wusch, habe aber nie wieder einen Geldschein gefunden. Wahrscheinlich hatte er sich neue Verstecke ausgedacht.«
    Ich öffnete die Brieftasche. »Die ist von deinem Vater.«
    » Meinem Vater?«
    Meine Mutter setzte sich zu mir aufs Bett, während ich den Inhalt der Geldbörse durchsuchte.
    »Warum sollte Dad das Portemonnaie deines Vaters besitzen?«, fragte ich. »Hat Grandpa es nicht bei sich getragen?«
    »Es muss sich um ein älteres handeln, das Gus wahrscheinlich gefunden hat, als wir die Habseligkeiten meines Vaters durchgegangen sind.«
    »Hier ist sein Führerschein. Und sieh mal, ein Fünfcentstück aus dem Jahr 1965. Ansonsten kein Bargeld.« Ich reichte ihr die Brieftasche. »Hat Dad deinen Vater getötet?«
    »Gus würde alles tun, wenn er glaubte, es wäre in meinem Interesse, doch so weit würde er nicht gehen.«
    »Aber es war kein Puma, den Valentine in jener Nacht erschossen hat, nicht wahr?«
    Meine Mutter sah an mir vorbei und riss auf einmal die Augen auf. Ein RCMP-Auto jagte unsere Auffahrt empor und wirbelte eine Staubwolke hoch, die kaum vom Rauch zu unterscheiden war, der überall um uns in der Luft hing. Das Bantamhuhn, das wir nicht zu fassen bekommen hatten, flatterte panisch über den Zaun, als der Wagen vorbeisauste.
    Meine Mutter folgte mir in die Küche. »Was wollen die nur?«
    »Es wird wohl mit dem Feuer zu tun haben.«

    Sie blieb im Haus, während ich nach draußen trat und zusah, wie das Polizeiauto in unserem Hof hielt. Eine Polizistin in einer gelben Jacke öffnete die Wagentür und schrie über den Wind hinweg: »Mrs. Svensson?«
    »Ich bin ihre Tochter.«
    »Ein Evakuierungsbefehl ist erlassen worden. Sie haben zehn Minuten, um das Gebiet zu verlassen.«
    »Mein Vater ist heute Morgen verstorben. Sie haben seinen Leichnam erst vor wenigen Stunden abgeholt. Wir werden ein bisschen Zeit brauchen, um uns zu sammeln.«
    »Das tut mir leid.« Sie sah zurück zum Haus. »Sind Sie und Ihre Mutter dort allein?«
    »Meine Schwester ist vor ungefähr einer Stunde losgefahren. Mein Sohn macht ein Nickerchen. Mein Mann ist wahrscheinlich in der Scheune.«
    »Das Feuer kommt schnell näher. Sie müssen hier weg. Sofort!«
    »Ich verstehe.«
    Das Gesicht meiner Mutter verschwand von der Fliegengittertür, sobald sich der Polizeiwagen entfernt hatte. Als ich die Küche betrat, saß sie wieder in ihrem Schaukelstuhl, hatte Stift und Papier in der Hand und schrieb hastig.
    »Mom, dafür haben wir jetzt keine Zeit«, ermahnte ich sie, aber meine Mutter schrieb einfach weiter. Ich ging in Vals Zimmer, um Jeremy zu wecken. Im nächsten Moment überlegte ich es mir jedoch anders und wandte mich zur Haustür, wollte zuerst Ezra Bescheid geben. Da bemerkte ich einen alten Mann auf der Veranda. »Mist!«, sagte ich und dann: »Kann ich Ihnen helfen?«
    Er trug einen riesigen schwarzen Hut. Sein Gesicht lag im Schatten. In seiner Brille spiegelte sich das Licht, so dass ich seine Augen nicht sehen konnte. Er stand einfach nur da,
schwankte leicht, wie jemand, der ein wenig unsicher auf den Beinen ist.
    Meine Mutter erhob sich aus ihrem Stuhl, der daraufhin vor und zurück schaukelte. »Haben wir Besuch?« Sie wich einen Schritt zurück. »Oh, mein Gott!«
    »Alles in Ordnung«, sagte ich. »Es ist bloß der alte Mann, der manchmal hier herumlungert.« Als ich mich wieder zur Tür umdrehte, war er verschwunden. Ich trat durch die Fliegengittertür auf die Veranda. »Hallo«, rief ich. »Kann ich Ihnen helfen?« Aber es war niemand im Hof. Meine Mutter stellte sich hinter mir auf. »Wenigstens brauchen wir uns vor ihm nicht mehr zu fürchten«, sagte ich. »Er schien verwirrt zu sein, als wüsste er nicht, wo er sich befindet. Wahrscheinlich eine Art von Demenz. Ich hatte den Eindruck, dass du ihn kennst. Ist er ein Nachbar?«
    »Nein.«
    »Aber du kennst ihn doch!«
    »Mein Vater hatte immer behauptet, er würde nach seinem Tod auf der Farm bleiben, sie niemals verlassen. Meine Mutter hat oft dasselbe gesagt: dass sie nach ihrem Tod mit meinem Vater wieder zusammenkäme und sie gemeinsam auf dieser Farm umherwandern würden. Sie hat dazu etwas in dem Buch Der Prophet unterstrichen, das ich in ihrer Handtasche gefunden habe. Ihr werdet zusammen sein, wenn die weißen Flügel des Todes eure

Weitere Kostenlose Bücher